59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan
Kapitän sich entfernen wollte. Darum mußte er fort. Auf den Zehen gehend, lief er beinahe Trab, denn er mußte bereits in Sicherheit sein, wenn der Alte unter dem Luftloch ankam.
Er erreichte dasselbe. Der Strick hing noch. Er ergriff denselben, turnte rasch empor und fühlte dabei, daß Fritz das Ende an sich zog. Oben angekommen, das auseinandergerissene Moos zusammenstreichen und sich niederlegen, was das Werk eines Augenblicks.
„Haben Sie etwas gesehen?“ flüsterte Fritz.
„Pst! Man kommt!“
Sie sahen nun beim Schein seiner Laterne den Alten unten passieren.
„Der Kapitän allein?“ fragte Fritz.
„Ja. Ich hatte mich sehr zu beeilen, um von ihm nicht erwischt zu werden.“
„Wo ist Rallion geblieben?“
„In der fünften Zelle. Er soll da eine Spröde besiegen.“
„Donnerwetter! Wenn das Marion ist.“
„Wahrscheinlich ist sie es. Wir müssen sofort hinab.“
„Ich mit.“
„Ja. Übrigens ist mein Vater unten.“
„Herr des Himmels! Haben Sie ihn gesehen?“
„Nein. Aber ich kann dir jetzt nichts weiter sagen. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wer weiß, was dieser Schuft mit Marion vor hat. Ich gehe voran und du kommst sofort nach.“
„Aber wenn der Alte zurückkehrt, befinden wir uns zwischen zwei Feuern.“
„Er wird erst nach einigen Stunden kommen, wie ich gehört habe. So lange sind wir sicher. Komm!“
Er griff sich an dem Seil hinunter, und einen Augenblick später stand Fritz neben ihm.
Sie sahen den Schein von Rallions Laterne aus der offenen Kerkertür dringen und schlichen sich leise hinzu.
„Ich höre sprechen!“ sagte Fritz.
„Ich auch. Wollen den Kerl erst belauschen.“
Marion war nämlich aus ihrer Ohnmacht erwacht, und Rallion sprach mit ihr. Die beiden Deutschen kamen unbemerkt bis an die offene Zellentür und blieben da stehen. Müller streckte den Kopf ein wenig vor und sah Marion, an Händen und Füßen gefesselt auf dem Stroh liegen. Rallion kniete neben ihr und sagte eben jetzt:
„Wie, Sie könnten mich wirklich nicht lieben?“
„Ich verachte Sie“, antwortete sie.
„Oh, ich heirate Sie trotz dieser Verachtung.“
„Elender! Geben Sie mir die Hände frei, und ich werde Ihnen zeigen, was Ihnen gehört.“
„Die Hände freigeben? Fällt mir nicht ein.“
„Feigling.“
„Ja, ich springe eines schönen Mädchens wegen nicht in die Mosel, wie Ihr buckeliger Schulmeister; ich weiß mir die Schönheit auf andere Weise untertänig zu machen. Ich frage Sie zum letztenmal, ob Sie meine Frau werden wollen.“
„Nie.“
„Und dennoch werden Sie es.“
„Niemals.“
„Ah, ziehen Sie vielleicht vor, meine Geliebte zu sein?“
„Eher würde ich sterben.“
„Wie wollen Sie sterben? Wollen Sie sich erschießen, ersäufen, vergiften? Sie sind ja gefesselt.“
„Ich werde diese Fesseln nicht immer tragen.“
„Allerdings ist das wahrscheinlich; aber bis dahin sind Sie mein Eigentum geworden. Bis der Kapitän zurückkehrt, habe ich Ihren Widerstand gebrochen. So ist es zwischen uns verabredet worden.“
Jetzt legte Müller sich auf den Boden und kroch näher. Der Franzose kniete so, daß er dem Eingang den Rücken zukehrte; er konnte den Deutschen nicht sehen. Auch Marion sah ihn nicht, da Rallion sich zwischen ihnen befand.
„Ungeheuer!“ antwortete sie voller Abscheu.
Er streckte die Arme nach ihr aus, um sie zu umfassen. Sie schnellte sich trotz ihrer Fesseln zur Seite.
Angst und Abscheu zuckten über ihr schönes Gesicht; aber – was war das? Plötzlich leuchteten ihre Augen auf. Sie warf einen triumphierenden Blick auf Rallion und sagte:
„Rühre mich nicht an, Elender, sonst bis du verloren.“
Da sie eine andere Stellung eingenommen hatte, war ihr Blick auf Müller gefallen, welchen jetzt das Licht traf.
Rallion lachte laut und fragte:
„Ich, verloren? Was willst du mir tun? Du entschlüpfst mir nicht. Komm her. Ich will Liebe und Seligkeit von deinen süßen Lippen trinken.“
Es gelang ihm, sie zu fassen, aber in demselben Augenblick legte ihm Müller seine Linke von hinten um den Hals und schlug ihn mit der geballten Rechten so an die Schläfe, daß er sofort zusammenbrach.
„Ist es so recht, gnädiges Fräulein?“ fragte er dann lächelnd.
Ihr Auge ruhte mit einem Strahl auf ihm, der ihm bis ins tiefe Herz drang.
„Zur rechten Zeit!“ sagte sie. „Im letzten, allerletzten Augenblick!“
„Aber doch nicht zu spät. Bitte, geben Sie her!“
Er zog sein Messer und ergriff ihre Hände, um diese
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