62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen
einmal!“
„Papperlapapp! Ein Mädchen in einem solchen Haus, und sich nicht angreifen lassen! Wie alt ist sie denn?“
„Achtzehn schätze ich sie.“
„Blond?“
„Nein, tief brünett oder schwarz.“
„Hm. Wie heißt sie?“
„Das weiß ich nicht. Sie wird Wally genannt.“
„Und ihre Gestalt?“
„Ein wahres Meisterwerk der Natur – leider nicht meine eigene Erfindung. Stammt nicht von mir!“
„Glaube es, wenn sie wirklich so schön ist, wie du sagst!“
„Ich wiederhole es: Sie ist zum Verrücktwerden reizend; aber auch ebenso spröde!“
„Glaube es nicht.“
„Pah! Wettest du mit mir?“
Der andere lachte laut auf und sagte:
„Ich würde dich doch nur unglücklich machen.“
„Wieso?“
„Nun, du würdest deine Wette verlieren und müßtest unbedingt bezahlen!“
„Das würde doch kein Unglück sein. Aber ich wette hundert Gulden gegen jeden von euch, daß sich das Mädchen von keinem von euch berühren läßt.“
Diese Behauptung erschien ihnen allen zu kühn, als daß sie nicht Aufsehen hätte erregen sollen. Laute Ausrufe des Zweifels wurden ausgestoßen.
„Hundert Gulden?“ fragte der, welcher vorher die Rolle des Arztes gespielt hatte.
„Ja, hundert Gulden!“ wiederholte Hagenau.
„Nun, die könnte man wagen.“
„Wage sie doch!“
„Ich befinde mich nicht in dem glücklichen Besitz deines unerschöpflichen Geldbeutels. Eine solche Summe ist für mich von Bedeutung, aber auf diese wahrhaft lächerliche Proposition kann man sie getrost setzen. Ist es nicht wahr?“
Alle außer Randau stimmten bei.
„Nun, so setzt sie doch!“ sagte Hagenau.
„Wollen wir?“
„Nein“, meinte einer der Kameraden. „Sieben Personen zu hundert Gulden pro Mann, das gibt siebenhundert Gulden. Das dürfen wir unserm Kameraden nicht antun. Er muß ja verlieren!“
Das aber ließ sich Hagenau nicht gefallen. Er geriet in Hitze und antwortete schnell:
„Mache dich nicht lächerlich! Ich bin überzeugt, daß ich diese Summe gewinnen werde, anstatt sie zu verlieren.“
„Nun, wenn du partout willst! Ich halte die Wette. Wer noch?“
„Ich auch, ich auch!“ antworteten fünf Stimmen.
„Und du, Randau?“
Dieser hatte nämlich geschwiegen. Jetzt antwortete er:
„Ihr wißt, ich wette nie!“
„Das ist dein Fehler, der einzige Fehler, den der reiche Randau hat. Heute aber könntest du doch wohl einmal eine Ausnahme machen.“
„Fällt mir nicht ein!“
„Du wirst aber gewinnen!“
„Ich mag weder gewinnen noch verlieren; übrigens ist mir das Objekt ein widerstrebendes.“
„Laßt ihn!“ schnarrte Hagenau. Dann rieb er sich lachend die Hände und sagte:
„Kinder, ich mache euch einen famosen Vorschlag!“
„Nun, welchen?“
„Er ist von mir, von meiner eigenen Erfindung. Nämlich, wenn ihr gewinnt, zahle ich einem jeden von euch die hundert Gulden –“
„Das versteht sich ja von selbst!“
„Und wenn ich gewinne, gebe ich von dem Geld ein solennes Abendessen mit Wein und sonstigen Unterhaltungen.“
„O nobel, nobel!“
„Ja. Oder versteht sich das auch von selbst?“
„Keineswegs, lieber Hagenau! Du bist immer der Splendide, wirst aber dieses Mal nicht zur Ausführung deines freigebigen Vorsatzes gelangen.“
„Wartet es ab!“
„Also, brechen wir jetzt auf?“
„Vorher müssen wir doch nähere Bestimmung treffen. Also ich habe gewettet, daß das Mädchen keinem von euch eine Annäherung erlauben wird.“
„Annäherung? Du sprachst von angreifen.“
„Allerdings. Nur kann das unmöglich wörtlich gemeint sein. Wenn die Venus sich nicht in eine Glasglocke stecken will, muß sie wenigstens einer ersten Berührung widerstandslos ausgesetzt sein. Wie also formulieren wir die Sache genauer?“
„Sehr einfach. Es kann doch nur eine zärtliche Berührung gemeint sein. Sagen wir also: Kuß! Nicht?“
Die andern stimmten bei, und nun schnarrte der fröhliche Hagenau vergnügt:
„Kerls, ihr kriecht ja immer weiter in die Falle, in welcher ihr bereits mit dem Kopf steckt! Also, wenn das Mädchen sich gutwillig von einem von euch auf den Mund küssen läßt, habe ich verloren?“
„Ja, so meinen wir.“
„Nun, da schmatzt in Gottes Namen los! Ich habe keine Angst.“
„Vielleicht zieht sie dich uns allen vor!“
„Nicht einmal mich, obgleich ich euch an Liebenswürdigkeit und körperlicher Schönheit weit überrage. Aber, meine Herren, Ordnung muß in der Sache sein. Alle sechs können sich doch nicht zugleich auf das Mädchen
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