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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sie Wort zu halten, und tut sie das nicht freiwillig, so haben Sie das Recht, sie zu zwingen.“
    Da leuchteten auch Hildas Augen zornig auf.
    „Wer will mich zwingen?“ fragte sie.
    „Wir! Ich!“ antwortete die Tänzerin.
    „Versuchen Sie es!“
    Es war eine feste Entschlossenheit über sie gekommen. Sie hatte erkannt, was sie als ihr höchstes und kostbarstes Gut zu hüten habe, und war gewillt, diesen Schatz aufs äußerste zu verteidigen.
    „Oho! Diese kleine Mücke will stechen! Ich habe Modell gesessen, ohne bezahlt zu werden. Will die Schneidermamsell etwa etwas Besseres sein als ich? Herunter mit den Fetzen, sage ich!“
    Sie griff zu und riß Hilda den Hut vom Kopf. Da ballte diese in höchster Erregung ihre kleinen Fäustchen und rief drohend:
    „Wagen Sie weiter nichts, Sie Unverschämte! Ich werde mich zu verteidigen wissen!“
    Der Maler blieb stiller Zuschauer. Er wollte seinerseits jeden Gewaltakt vermeiden, aber auch nicht auf das famose Modell verzichten.
    „Was bin ich? Was?“ schrie die Tänzerin auf. „Eine Unverschämte? Warte, Würmchen, jetzt werde ich dich zertreten!“
    Sie sprang auf Hilda zu. Diese hatte in ihrer Angst ihr Augenmerk auf einen großen Farbtopf geworfen, welcher neben ihr auf der Treppenleiter stand. Im Nu hatte sie diesen Topf ergriffen und der Angreiferin in das Gesicht geworfen.
    Diese erhob ein entsetzliches Geschrei. Sie konnte nicht aus den Augen sehen; ihr Gesicht war nicht zu erkennen; die Farbe troff auf ihren Anzug hernieder. In ihrer Wut wollte sie Hilda dennoch fassen. Sie tat einen wahren Tigersprung, hatte sich aber, da sie geblendet war, in der Richtung versehen und sprang in die Staffelei hinein, riß dieselbe mit dem Bild der Medea um, stürzte selbst zu Boden, wo eine ganze Menge von Tüten mit trockenen, und Flaschen, Gläser, Büchsen und Töpfe mit nassen Farben lagen und standen, und wälzte sich, ohne augenblicklich wieder aufkommen zu können, in diesem Chaos von allen möglichen und unmöglichen Couleuren herum.
    Der Maler geriet bei dieser Verwirrung und dieser Verwüstung ganz außer sich. Er griff zu, um zu retten. Unglücklicherweise aber bekam die Tänzerin zufällig seinen Arm in ihre Hände. Sie hielt ihn krampfhaft fest, und in dem Bestreben sich an ihm aufzurichten, zog sie den Tanz- und Farbenkünstler mit in das in allen Färbungen schillernde Verderben hinein.
    Sie schien zu glauben, ihre Feindin gefaßt zu haben, und bearbeitete den armen Ballettisten nun mit einer Energie, gegen welche Widerstand ganz und gar vergeblich war. Die nassen Farben spritzten und die trockenen stäubten empor. Nach wenigen Augenblicken hatte Herr ‚Arthur‘ Gesicht und Augen so voll, daß auch er nichts mehr zu sehen vermochte.
    Da packte ihn eine grimmige Wut. Er nahm alle seine Kräfte zusammen und gab seiner Freundin nun alles, was er bisher von ihr bekommen hatte, mit hohen Zinsen zurück. Beide brüllten, schrien, quiekten, schnaubten, stampften, pusteten, husteten, niesten, schlugen und bissen aufeinander ein. Es war ein Anblick zum Entsetzen, aber auch zum Totlachen.
    Hilda war zunächst ganz bestürzt über die Folgen ihres Verteidigungsschusses. Dann wollte sie den beiden auseinanderhelfen, sah aber ein, das sie sich dann nur selbst in Gefahr begebe. Sie beschloß zu fliehen. Was hatte sie zu erwarten, wenn die beiden wieder auf die Füße und in den Besitz des Sehvermögens kamen?
    Sie raffte also ihren, glücklicherweise nicht beschädigten Hut vom Boden auf und eilte dem Ausgang zu. Weiter aber kam sie nicht; denn die Tür öffnete sich. Die Ballettmeisterin trat ein, und hinter ihr eine junge, schwarz gekleidete Dame von vornehmer Haltung.
    Kurz vorher nämlich hatte es am Eingang geklingelt, und als die Ballettmeisterin nachschaute, stand diese vornehme Dame am Eingang.
    „Was wünschen Sie?“ fragte sie.
    „Ist der Herr Ballettmeister zu sprechen?“
    „Sie meinen den Herrn Ballettmeister und Kunstmaler, meinen Mann?“
    „Ja, jedenfalls.“
    „Er wird wohl kaum zu sprechen sein.“
    „Kann er sich nicht für einen Augenblick frei machen?“
    „Glaube schwerlich. Er malt Modelle, nämlich eine Medea und eine Psyche.“
    „Zu gleicher Zeit?“
    „Nein, sondern hintereinander.“
    „Das muß interessant sein: eine Psyche hinter der Medea, oder auch umgekehrt.“
    „Oh, mein Mann bringt das schon fertig! Was wollen Sie denn jetzt von ihm?“
    „Ich habe mich ihm vorzustellen. Ich heiße Ellen Starton.“
    „Was? Die

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