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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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den Zorn Arndts leiten konnte. Er fragte:
    „Fortgelaufen? Wohin?“
    „Zum Schmied.“
    „Auch in die Schenke also? Warum?“
    „Um seine Spitzhacke schärfen zu lassen.“
    „Sie hätten ihn nicht fortlassen sollen.“
    „Er ist gegangen, ohne mir von seinem Vorhaben ein Wort zu sagen. Übrigens habe ich ihm glücklicherweise vorher die größte Verschwiegenheit eingeschärft.“
    „Nun, so wird er hoffentlich wohl das Plaudern unterlassen.“
    „Meinen Sie? Da kennen Sie die Bewohner solcher kleinen Orte nicht. Hier weiß ein jeder ganz genau, was der andere tut und treibt; man lebt sozusagen in Familie; man kennt keine Geheimtuerei, und wenn ja einmal jemand irgend etwas verheimlichen will, so gelingt es ihm nicht. Sie beide waren beim Schmied; jetzt kommt auch der Totengräber zu ihm; da ist die Klatschgevatterei sofort fertig. Und das Schlimmste dabei ist –“
    Er hielt inne und blickte sich vorsichtig um.
    „Wohin ist die Frau?“ erkundigte er sich.
    „Ich höre sie draußen Holz hacken“, antwortete der alte Wunderlich.
    „Nun, so wird sie nichts hören. Das Schlimmste dabei ist, daß ich gerade den Schmied in Verdacht –“
    Da ging die Tür auf, und der Totengräber trat ein, ganz atemlos vom schnellen Laufen.
    „Verzeihen Sie!“ sagte er. „Es ging nicht so rasch, wie ich dachte. Das Feuer war fast ausgegangen.“
    „Hinaus mit Ihnen!“ herrschte ihn Arndt an.
    Der erschrockene Mann machte sich schleunigst davon. Arndt aber wendete sich an den Amtmann:
    „Sie saßen natürlich im Gastzimmer der Schenke?“
    „Ja.“
    „Waren Gäste da?“
    „Nein.“
    „Wer bediente Sie?“
    „Die Wirtin, ich glaube, die Frau des Schmieds junior.“
    „Der Herr Senior kam nicht hinein?“
    „O doch!“
    „Kennt er Sie?“
    „Ich glaube nicht. Aber diesen Herrn kennt er von der Gerichtsschreiberstelle her, und aus dessen Verhalten mir gegenüber mag der Schmied wohl gemerkt haben, daß ich der Vorgesetzte bin.“
    „Hat er ein Gespräch mit Ihnen begonnen?“
    „Er machte den Versuch.“
    „Worüber?“
    „Über das gewöhnliche Thema: das Wetter. Aber ich hielt ihn fern von mir.“
    „Nun, wollen sehen. Gehen wir nach dem Kirchhof!“ –
    Der Totengräber hatte ganz und gar nicht daran gedacht, daß es seine Pflicht sei, vorher zu fragen, ob er sich entfernen dürfe. Er hatte, als Arndt hinausgegangen war, an die jetzige Frosthärte des Erdreichs und an die stumpfe Hacke gedacht und war also in größter Eile zum Schmied gegangen.
    In der Werkstatt fand er nur den jungen Schmied, da dessen Vater in der Gaststube war und sich Mühe gab, von dem Amtmann etwas über den Grund von dessen Anwesenheit zu hören. Als der Alte aber merkte, daß er nichts erfahren werde, kehrte er verdrießlich in die Schmiede zurück, wo er den Totengräber antraf. Er sah die Hacke in dessen Hand und fragte:
    „Was soll es mit dem Ding?“
    „Schärfen.“
    „Es hat doch Zeit? Wir schlagen noch ein paar Nägel und lassen dann das Feuer ausgehen. Morgen ist auch noch ein Arbeitstag. Da kommt die Hacke dran.“
    „Das geht nicht. Ich brauche sie augenblicklich.“
    „Augenblicklich?“ fragte der Schmied verwundert.
    „Ja. Ich habe keine Minute zu viel Zeit.“
    „Wozu denn?“
    „Ein Grab zu öff – zu graben.“
    „Es ist doch niemand gestorben!“
    „Ich muß doch und dennoch ein Loch aufmachen!“
    Das war ungewöhnlich. Ungewöhnlich war auch die Anwesenheit des Amtmanns. Der Alte war ein Schlaukopf und hatte zudem ein böses Gewissen. Er brachte sofort beides in Verbindung. Er beschloß, auf den Busch zu klopfen. Darum warf er dem Totengräber einen überlegenen Blick zu, lachte höhnisch vor sich hin und sagte:
    „Nur nicht so geheimnisvoll getan!“
    „Tue ich denn geheimnisvoll?“
    „Ja. Aber ich weiß doch bereits, was es ist.“
    „Oh, das glaube ich nicht!“
    „Nicht? Der Amtmann sitzt bei mir!“
    „Der Amtmann? Hm! Ja, der soll ja kommen!“
    „Also! Und nicht er allein, sondern noch einer. Nun, weiß ich es, oder nicht?“
    „Aber es soll ja geheim bleiben!“
    „Dummkopf! Ich bin ja Mitglied beim Gemeindevorstand!“
    „Ach so! Das ist etwas anderes! Na, ich bin wirklich förmlich erschrocken!“
    „Erschrocken? Das ist kein Grund dazu! Die Sache ist ja so einfach wie nur möglich!“
    „Ja, einfach ist sie, aber doch erstaunlich. Ich glaube, so lange Helfenstein existiert, ist so etwas nicht passiert. Ein Grab zu öffnen, weil man sehen will, ob das Kind

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