037 - Die Kamikaze-Monster
An der Tür stand: »Dr. Wim Wissney – Facharzt für Zahnheilkunde«. Niemand trat gern über diese Schwelle, denn was ihn in Dr. Wissneys Praxis erwartete, war nicht nach jedermanns Geschmack.
Allein der Glasschrank, in dem Dr. Wissneys »Arbeitsgeräte« aufbewahrt wurden, rief bei vielen Patienten schon ein mulmiges Gefühl hervor. Ganz zu schweigen von den beiden modernen Folterstühlen, auf denen der Zahnarzt schon eine Vielzahl von Menschen hatte leiden lassen.
Kinder, Greise, Männer, Frauen – er machte keinen Unterschied.
Obwohl er schon so vielen Menschen Schmerzen zugefügt hatte, tat er es niemals gern. Bei vielen hatte er sogar seelisch mitgelitten.
Er peinigte seine Patienten, um ihnen zu helfen. Es ging nicht anders; man kam um den Schmerz nicht herum. Manche verlangten eine Spritze, damit sie nichts spürten, doch Dr. Wissney gab sie nicht gern, denn der Schmerz war für ihn ein Signal, der ihm verriet, wie tief er bohren durfte.
Wenn der Patient nichts spürte, konnte das Loch im Zahn zu tief ausfallen, und dann stellten sich zu Hause – wenn die Wirkung der Injektion nachließ – die Schmerzen, die man umgehen wollte, erst recht ein.
Nein, wenn es sich vermeiden ließ, gab Dr. Wissney den Leuten lieber keine Spritzen, dafür aber den aufmunternden Rat: »Beißen Sie die Zähne zusammen und machen Sie den Mund auf.«
Er war ein weißhaariger Mann mit einem unübersehbaren Bauch.
Man hätte ihm nicht zugetraut, daß er trotz des Übergewichts noch ein äußerst reger, sportlicher Mensch war.
Einmal in der Woche traf er sich mit Freunden. Im Winter in der Sporthalle, im Sommer im Freien. Und dann wurde mit gesundem Ehrgeiz Fußball gespielt, daß die Fetzen flogen und die Zähne wackelten.
Außerdem spielte Dr. Wissney leidenschaftlich Tennis, und am Wochenende gehörte seine ganz große Liebe den Pferden. Er war ein passionierter Reiter.
Für gewöhnlich unterstützte ihn eine Assistentin bei der Arbeit.
Heute stand sie ihm nicht zur Verfügung. Ein heimlicher glühender Verehrer hatte ihr eine Opernkarte geschickt, und da May Biggs nicht einfach von der Arbeit aus in die Oper gehen konnte – es waren schließlich umfassende Vorbereitungen dafür nötig –, schickte Dr. Wissney sie schon am frühen Nachmittag nach Hause. »Wie ich Sie kenne, möchten Sie vor dem Opernbesuch noch unbedingt zum Friseur gehen«, hatte er gesagt. »Man muß dem Fest schließlich einen gebührenden Glanz geben, nicht wahr? Wer in Jeans in die Oper geht, der stiehlt sich selbst die Atmosphäre. Da heute ohnedies nicht viel Arbeit anfällt, können wir es riskieren, daß Sie nach Hause gehen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen für den heutigen Abend. Was wird denn gegeben?«
»Aida.«
»Großartig. Ich beneide Sie.« Damit verabschiedete sich Dr. Wissney von seiner Assistentin.
Eine Stunde nach May Biggs’ Abgang erhielt er unliebsamen Besuch. Zwei Männer waren es. In schwarzes Leder gekleidet, mit Tüchern maskiert – und mit einem gelben PK-Emblem auf der Brust, zwei ineinander verschlungene Buchstaben.
Sie hatten sich unbemerkt Einlaß in die Ordination verschafft, stürmten durch das leere Wartezimmer und rammten die Tür zur Praxis auf.
Wissney, der soeben zusammenstellte, was der Bote des Zahntechnikers morgen abholen würde, fuhr erschrocken herum und blickte in zwei Revolvermündungen.
***
»Was soll dieser lächerliche Auftritt?« fragte Dr. Wim Wissney scharf, sobald er sich einigermaßen gefaßt hatte.
»Schnauze, Doc!« herrschte ihn einer der beiden Maskierten an.
»Dies ist eine Zahnarztpraxis – keine Bank! Bei mir gibt es nichts zu holen.« Dr. Wissney dachte nicht daran, den Mund zu halten. Er sagte sich, er dürfe keine Angst zeigen, sich selbst von zwei Revolvern nicht einschüchtern lassen.
»Wir wollen kein Geld.«
»Sagen Sie nicht, daß Sie die Absicht hätten, sich auf diese Weise eine Gratisbehandlung zu erzwingen!«
»Die Behandlung kriegst du, und zwar von uns! Rüber da! Zu deinem Marterstuhl!«
Wissney setzte sich in Bewegung.
»Also, ich habe schon viel gehört«, sagte er, »aber daß ein Zahnarzt in seiner Praxis überfallen wird… Soll das ein Racheakt sein? Waren Sie schon mal bei mir in Behandlung?«
»Du redest zuviel, Onkel! Setz dich! Wir sind nicht hier, um dämliche Fragen zu beantworten.«
»Jemand bezahlt Sie für das, was Sie tun.«
»Sehr schlau. Bist du ganz allein draufgekommen?« spottete einer der Maskierten.
Sein Komplize versetzte
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