62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen
Gesicht rötete sich das Gesicht des Beamten.
„Ja, Rüge“, antwortete Arndt.
„Herr, eine Rüge nehme ich nur von einem meiner Vorgesetzten entgegen.“
„Nun, ich habe mich Ihnen gegenüber legitimiert und glaube, genügsam nachgewiesen zu haben, daß ich, wenn auch nicht für immer, so doch in der gegenwärtigen Angelegenheit derjenige bin, dessen Weisungen Sie nachzukommen haben. Ich bat Sie, mir einen Aktuar mitzugeben; Sie entschlossen sich, selbst mitzukommen, und haben es sich also gefallen zu lassen, wenn ich Sie, falls von Ihrer Seite ein so bedeutender Fehler begangen wird, eben als Aktuar, als subaltern anrede. Oder wünschen sie vielleicht, daß ich vorher ihre Vorgesetzten frage, wie ich mich in diesem Fall zu Ihnen zu stellen habe? Diese Herren würden dann erfahren, daß ich jetzt nicht Veranlassung habe, mit Ihnen zufrieden zu sein.“
Der alte Förster hatte alle Achtung vor seinem Vetter Arndt; jetzt aber leuchteten seine Augen vor stolzer Freude auf. Er bemerkte jetzt ja noch viel deutlicher als bisher, daß dieser vermeintliche Verwandte ein ganzer Kerl sein müsse.
„Donnerwetter!“ dachte er im stillen. „Der Kerl tut ganz so, als ob er Hahn im Korb sei. Einen Amtmann auf diese Weise abzukanzeln, dazu gehört schon etwas!“
Der Beamte seinerseits fand keine Worte. Er mußte freilich zugeben, daß er sich in der vorliegenden Angelegenheit nach Arndt zu richten habe; aber er sah doch nicht ein, warum er einen so scharfen Verweis hinnehmen müsse.
„Sie sprechen von einem bedeutenden Fehler“, meinte er endlich. „Bitte, wollen Sie die Güte haben, mir nachzuweisen, daß ein solcher in Wirklichkeit von mir begangen worden ist?“
„Ich habe nicht geglaubt, daß ein solcher Nachweis wirklich notwendig ist. Die Ausgrabung der Leiche sollte ja, wie schon wiederholt erwähnt wurde, im geheimen stattfinden.“
„Das wird sie ja auch!“
„Meinen Sie? Ah! Das möchte ich beinahe naiv nennen! Sie waren, wie Sie schon sagten, noch niemals hier?“
„Nein.“
„Desto mehr wird Ihre Anwesenheit auffallen.“
„Aber man wird nicht wissen, weshalb ich anwesend bin.“
„Man wird es erfahren, weil man neugierig sein wird.“
„Nun, wird das so großen Schaden machen?“
„Einen Schaden, der wohl nie wieder gutzumachen sein wird, Herr Amtmann!“
„Hm! Darf ich um die Erklärung bitten?“
„Sie liegt so nahe, daß ich mich sehr wundere, um sie angegangen zu werden. Wir exhumieren, um einem vermutlichen Verbrechen auf die Spur zu kommen. Wo ist das Verbrechen geschehen?“
„Hier.“
„Und wo wird sich der Täter befinden, falls er noch lebt, Herr Amtmann?“
„Vielleicht auch hier.“
„Schön! Dieser Mann erfährt, was wir tun; er wird wissen, welches Grab wir öffnen; er sieht, daß es dasjenige ist, welches mit seiner Tat im Zusammenhang steht; diese Tat muß also verraten, entdeckt worden sein; er ist gewarnt, er fühlt sich unsicher –“
„Hm! Verflucht! Daran habe ich nicht gedacht!“ sagte der Amtmann, der sich jetzt sehr verlegen zeigte.
„Aber ich! Und darum bat ich Sie, sich nicht sehen zu lassen!“
„Vielleicht läßt es sich wieder gutmachen, indem wir den Täter festnehmen.“
„Ah! Wie wollen Sie das anfangen? Kennen Sie ihn?“
„Leider nein!“
„Also! Wir wollen heute feststellen, daß die Tat geschehen ist; aber die Person ist noch zu suchen. Ich habe Ihnen mitgeteilt, daß die Angelegenheit mit der freiherrlichen Familie von Helfenstein in Beziehung zu bringen sei. Sie mußten daraus schließen, daß wir es nicht mit gewöhnlichen Verhältnissen und Personen zu tun haben werden, und darum war Geheimnis doppelt und zehnfach geboten. Hier kommt ein Herr. Ist er Ihr Begleiter?“
„Ja, der Amtsschreiber Reichelt.“
Der Betreffende war eingetreten und grüßte höflich. Arndt fragte ihn scharf:
„Ist der Kaffee gut bekommen?“
Der Mann kannte den Grund dieser Frage nicht und antwortete ganz verdutzt:
„Ja, sehr gut!“
„Na, das freut mich! Voraussichtlich wird er mir desto schlechter bekommen! Doch, Sie können ja nichts dafür, daß ich lieber friere als mich in meinen Obliegenheiten irremachen lasse. Wenn nur nicht, um die Sache noch schlimmer zu machen, auch der Totengräber davongelaufen wäre!“
Die Frau dieses letzteren hörte das nicht. Es war ihr in der Nähe der Herren doch etwas schwül geworden, und darum hatte sie das Zimmer verlassen.
Der Amtmann freute sich darüber, jetzt einen zu haben, auf den er
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