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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Begehr gefragt.
    „Sie sind Totengräber?“ erkundigte er sich.
    „Ja.“
    „Haben Sie Familie?“
    „Nein. Wir sind allein und kinderlos.“
    „Haben Sie das Gräberverzeichnis da?“
    „Natürlich. Von welchem Jahre wünschen Sie es?“
    „Vor zwanzig Jahren, den dritten Juli.“
    „Gleich. Oder dürfen wir erst essen?“
    „Geben Sie mir das Buch. Ich werde selbst nachschlagen.“
    Er erhielt das Verzeichnis und fand den Tag, an welchem das Kind der Botenfrau begraben worden war. Die Nummer des Grabes stand dabei.
    „Wie lange bleiben hier die Gräber unberührt?“
    „Wieso?“ fragte der Mann, welcher gar nicht wußte, was gemeint war.
    „Ich wollte fragen, wie viele Jahre es hier dauert, ehe die Gräber wieder geöffnet werden?“
    Der Totengräber schob einen höchst umfangreichen Bissen in den Mund, kaute ihn, schluckte und antwortete dann:
    „Hm! Ich bin nun eine ziemliche Zeit im Amt und habe nur wenige Gräber zu öffnen brauchen. Im letzten, welches ich aufmachte, lag eine Frau, die wohl vor vierzig Jahren gestorben war.“
    „Ist dies bei Kindern auch der Fall?“
    „Ja, die Kinder haben ihre besondere Abteilung, die ich noch gar nicht angerührt habe. Das Dorf ist klein und der Friedhof im Verhältnisse so groß, daß wir unsere Toten lange in Ruhe lassen können.“
    „So ist also wohl auch das Kind, nach welchem ich fragte, noch nicht wieder ausgegraben worden?“
    „Nein. Ich habe es nicht nötig gehabt. Aber, warum fragen Sie so? Ist etwas mit diesem Kind?“
    „Ja. Es steht nämlich zu vermuten, daß dieses Kind gar nicht begraben worden ist.“
    Der Totengräber stand im Begriff, wieder einen Bissen in den Mund zu schieben, blieb aber vor Erstaunen mit demselben vor den weit geöffneten Lippen halten.
    „Wie?“ fragte er. „Was? Gar nicht begraben?“
    „Ja.“
    „Das ist doch unmöglich!“
    „Warum?“
    „Es muß doch eine jede Leiche begraben werden!“
    „In der Regel, ja. Bei der Beerdigung des betreffenden Kindes scheint aber etwas vorgekommen zu sein, infolgedessen man das Grab ohne die Leiche zugeschüttet hat.“
    „Oh, das kann ja gar nicht passieren!“
    „Doch, mein Lieber!“
    „Nein. Ich muß das kennen, denn ich bin Totengräber. Die Leiche wird gebracht; man legt den Sarg in das Grab, und dann, wenn die Leidtragenden sich entfernt haben, wird fast immer sofort mit dem Zuschütten begonnen. Ein Toter kann doch nicht gut ausreißen.“
    „Aber er kann ausgerissen werden.“
    „Sapperlot! Das wäre ja Leichenraub!“
    „Allerdings!“
    „Der mit Zuchthaus bestraft wird.“
    „Sogar mit einer sehr hohen Zuchthausstrafe. Kurz und gut, ich will Ihnen sagen, daß man den Verdacht hat, die Leiche dieses Kindes sei geraubt oder unterschlagen worden.“
    „Donnerwetter! Doch nicht etwa von dem Totengräber, meinem Vorgänger?“
    „Nein. Ich bin gekommen, um mich zu überzeugen, ob das Grab leer ist.“
    „Was? Es soll also geöffnet werden?“
    „Ja.“
    „Oh, lieber Herr, das geht nicht so schnell! Dazu ist die Anwesenheit der Obrigkeit nötig.“
    „Das wird auch der Fall sein. In spätestens einer halben Stunde wird der Amtmann mit noch einigen Herren kommen, um die Ausgrabung vornehmen zu lassen.“
    „Herrgott! Eine Leiche ausgraben! Hier, in Helfenstein, in unserem kleinen Ort! Was werden die Leute dazu sagen! Was für ein Aufsehen wird das machen!“
    „Gar keines!“
    „Denken sie! O doch! So etwas ist doch hier noch gar nicht vorgekommen! Und die Botenfrau! Oh!“
    „Lebt diese noch?“
    „Ja. Sie ist jetzt ein steinaltes Mütterchen und kann kaum noch laufen. Hier bei uns werden nämlich die Leute vor der Zeit alt. Die Armut zehrt am Leben.“
    „Nun, sie soll zunächst nichts erfahren, und auch den anderen darf nichts gesagt werden. Die Exhumierung soll nämlich in aller Verschwiegenheit vorgenommen werden. Verstanden?“
    „Ja. Also auch noch verschwiegen? Also wirklich ein Verbrechen! Ich bin ganz starr vor Erstaunen!“
    „Das sehe ich. Sie haben Ihren Bissen noch immer nicht in den Mund gesteckt. Essen Sie zunächst. Ich werde unterdessen hinausgehen und mir das Grab suchen. Es ist Nummer einundfünfzig.“
    „Fangen Sie gleich hinter meinem Häuschen an zu zählen. Da ist die Nummer eins.“
    Arndt ging hinaus. Zwar war der Kirchhof beschneit, aber er lag hoch und den Lüften so ausgesetzt, daß der Wind die Erhöhungen kahlgefegt hatte. Man konnte die Gräber deutlich erkennen.
    Nummer einundfünfzig lag in der zweiten

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