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63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

Titel: 63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Fannys mit der Reiterin davonrennen sah. Er konnte natürlich nichts anderes tun, als im schnellsten Galopp nachfolgen. Er sah, daß sie die Zügel verloren hatte und sich vergebens an der Mähne zu halten suchte. Als sie vom Pferd stürzte, stieß er einen Schrei des Entsetzens aus und grub seinem Pferd die Sporen in die Seiten. Es flog windschnell dahin. Im nächsten Augenblick war er dort, hielt an, sprang ab und kniete bei ihr nieder.
    „Fräulein! Gnädiges Fräulein! Fanny, Fanny!“ rief er voller Angst.
    Sie hatte die Augen geschlossen und antwortete nicht.
    „Fanny! Fanny! Meine Seele, mein Leben!“
    Vergeblich! Sie regte sich nicht, sie blieb stumm!
    „Herrgott, sie ist tot!“
    In seiner Angst nahm er sie fest und fester in die Arme; er drückte sie an sich; er küßte sie auf Stirn, Mund und Wangen, wieder und immer wieder. Er gab ihr die süßesten, die zärtlichsten Namen und schrie dann wieder vor Entzücken laut auf, als er einen Atemzug bemerkt zu haben glaubte.
    „Fanny, Fanny!“ wiederholte er. „Um Gottes willen, stirb nicht! Wach auf! Ich kann ja ohne dich nicht leben!“
    Da öffnete sie langsam ihre Wimpern, und es traf ihn ein Blick, erst seelenlos, dann aber bewußter und immer bewußter. Er bog sich wieder zu ihren Lippen nieder, um sie zu küssen.
    „Lebst du, meine Fanny, lebst du?“ fragte er. „Siehst du mich? Hörst du mich?“
    „Robert!“ hauchte sie.
    „Herrgott!“ jauchzte er auf. „Sie lebt! Sie spricht!“
    Er zog sie in seinem Entzücken so fest an sich, als ob er sie erdrücken wolle. Dabei hörte er die leise Frage:
    „Was war's? Was ist's mit mir?“
    „Gestürzt bist du, vom Pferd gestürzt! Oh, welch eine Angst habe ich ausgestanden, welch eine Angst!“
    Er holte tief, tief Atem.
    „Um mich?“ flüsterte sie ihm zu.
    „Ja, du bist ja mein alles, mein Leben, meine Seligkeit!“
    Da ging es weich und warm über ihr vorher so bleiches, erstarrtes Angesicht.
    „Sein Leben, seine Seligkeit!“ flüsterte sie. „Ist's wahr?“
    „Ja, ja, und tausendmal ja, millionenmal ja!“
    Das schöne Mädchen legte in süßer Vergessenheit des Ortes, an welchem sie sich befanden, die Arme um ihn und sagte:
    „Ist das wahr?“
    „Ja, meine Fanny! Aber sag, bist du verletzt?“
    Diese Worte brachten sie zur Gegenwart zurück. Sie errötete in tiefer Glut und nahm die Arme von ihm.
    „Wir wollen sehen“, meinte sie.
    Er unterstützte sie und sie erhob sich.
    „Geht es? Geht es?“ fragte er in größter Besorgnis.
    „Ja, es geht, ich kann stehen.“
    „Aber nicht gehen?“
    Sie raffte die Schleppe des Kleides auf und versuchte, einige Schritte zu tun.
    „Gott sei Dank, es ist nicht schlimm!“ sagte sie. „Es geht!“
    „Und hast – hast –“
    Er stockte. Die Aufregung war fast vorüber und das klare Denken kam wieder über ihn. Sie war die Tochter eines altadeligen Geschlechtes, und er –
    „Und haben Sie Schmerzen?“ verbesserte er sich.
    „Nein.“
    „Welch ein Glück! Ich hielt Sie für tot. Es war ein gefährlicher Sturz.“
    „Wie kam es nur? Das Pferd ist ja sonst so fromm.“
    „Das Frauenzimmer, welches dort im Schlitten saß, schlug mit der Peitsche nach ihm.“
    „Ah, dieses Frauenzimmer?“
    „Ja. Ich bemerkte es noch von der Seite, mit einem halben Blick. Ganz da hinten fahren sie noch. Ich werde ihnen sofort nachreiten und –“
    Sie ergriff ihn beim Arm und sagte:
    „Halt! Wollen Sie mich hier zurücklassen?“
    „Ah! Verzeihung! Ich dachte nur daran, diese beiden zur Rechenschaft zu ziehen.“
    „Haben Sie sie vielleicht gekannt?“
    „Nein. Ich habe sie fast gar nicht angesehen.“
    Das war allerdings in der Wahrheit so. Sein Auge hatte nur an seiner schönen Begleiterin gehangen. Diese aber meinte:
    „Ich glaubte, diese beiden Personen seien Ihnen bekannt!“
    „Wer war es?“
    „Der Jude Salomon Levi aus der Wasserstraße.“
    „Wie? Was? Und vielleicht seine Tochter?“
    „Ja.“
    „Kennen Sie diese beiden, gnädiges Fräulein?“
    „Ja. Ich bin diesem Mädchen einmal unter Umständen begegnet, welche ein Vergessen zur Unmöglichkeit machen.“
    Das war damals gewesen, als Robert Bertram als Gefangener nach dem Kirchhof geführt worden war. Das wollte sie ihm natürlich nicht sagen.
    „Und Sie sind überzeugt, daß sie es wirklich gewesen sind?“ erkundigte er sich.
    „Vollständig überzeugt.“
    „Gut, so werden wir sie zur Rechenschaft ziehen!“
    „Nein, das tun wir nicht!“
    „Nicht?“ fragte er

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