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63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

Titel: 63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schwarz auf weiß. Lesen Sie einmal!“
    ‚Neuere Emission von Chile: 110.‘ las der Offizier.
    „Nun verstehen Sie das?“ fragte der Schwiegervater.
    „Ich gestehe, auf diesem Gebiet nicht sehr bewandert zu sein, aber ich denke, daß der Emissionswert 100 ist?“
    „Gewiß; 110 aber stehen sie. Wieviel also beträgt heute der Gewinn pro Papier zu hundert Gulden?“
    „Zehn Gulden.“
    „Ja. Sie haben aber für fünftausend Gulden Papiere; wie hoch beläuft sich also Ihr gegenwärtiger Gewinn?“
    „Zehn Prozent, also fünfhundert Gulden.“
    „Richtig; so ist es. Diese Summe fließt aus meiner Tasche geradezu in die Ihrige, denn ich habe sie Ihnen zu hundert gelassen, obgleich ich sie eigentlich zum Tageskurs berechnen wollte. Aber ich will anständig sein, weil ich der Schwiegervater bin und weil ich denke, daß Sie sich wohl wieder an Herrn Schönlein wenden werden. Noblesse oblige – anständige Behandlung ist die allerbeste Empfehlung eines Geschäftsmannes.“
    „Ich danke Ihnen und versichere gern, daß ich Ihre Freundlichkeit nicht vergessen werde.“
    Er verabschiedete sich auf die höflichste Weise und ging. Als er fort war, stieß der Schwiegervater ein lautes, triumphierendes Lachen aus und sagte:
    „Prächtig, prächtig! Er ist auf den Leim gegangen!“
    „Und wie leicht“, stimmte sein sogenannter Schwiegersohn ein.
    „Wie ein Gimpel!“
    „Noch viel, viel dümmer!“
    „Zu glauben, daß wir ihm fünfhundert Gulden schenken!“
    „Und daß du wirklich mein Schwiegervater bist!“
    „Und du so ein Geldmann! Dieser Jude Salomon Levi ist wirklich ein genialer Kopf. Für die dreitausend Gulden und seine schlechten Papiere erhält er einen Wechsel über zehntausend Gulden samt dem Ehrenschein. Er verdient fast fünftausend Gulden bei dem Geschäft.“
    „Und uns? Was gibt er uns?“
    „Dir hundert, mir hundert und diesem famosen Freimann und Compagnie hundert.“
    „Oh, Freimann wird mehr verdienen.“
    „Wieso?“
    „Er wird ihm eben auch chilenische Papiere geben, sie aber zu hundertzehn berechnen. Zweitausend hat er zu zahlen, macht also für ihn noch einen Profit von zweihundert Gulden, summa summarum also dreihundert. Wir haben zu wenig!“
    „Das scheint mir allerdings auch so.“
    „Und das Risiko dazu!“
    „Risiko? Pah! Ich verkaufe meine Papiere natürlich so hoch, als ich will und kann. Kein Mensch hat mir da Vorschriften zu machen.“
    „Auch das Gesetz nicht?“
    „Nein.“
    „Aber du hast den Leutnant getäuscht, indem du sagtest, daß der Kurs hundertzehn sei.“
    „Habe ich das wirklich gesagt?“
    „Ganz gewiß. Ich habe es doch selbst gehört!“
    „Unsinn! Er selbst hat es gelesen. Warum sieht er auf die falsche Zeile und nicht auf die richtige, auf welcher deutlich steht: Vorjährige Emission von Chile: 30. In Chile hat man den Präsidenten abgesetzt, und die vorjährigen Schlachten gegen Peru wurden verloren. Der neue Präsident wird sich hüten, die Schulden seines Vorgängers zu bezahlen! Er hat Glück gehabt, er hat die Peruaner geschlagen, darum stehen seine Papiere so hoch. Siegt er öfters, so steigen sie noch höher. Das versteht sich ganz von selbst. Dieser Herr Leutnant von Scharfenberg kann doch mich eines Irrtums, den er selbst begangen hat, nicht verantwortlich machen. Übrigens ist er Offizier und muß sich hüten, sich merken zu lassen, wie es um seine Finanzen steht. Er geht jedenfalls jetzt zu Freimann. Ich möchte dieser Verhandlung beiwohnen. Freimann ist ein Schlaukopf, hat ein großes Kontor, aber einen einzigen Schreiber. Beide aber sind froh, wenn sie täglich nur ein einziges Mal die Feder in die Tinte tauchen dürfen.“ –
    Damit hatte er vollständig recht. Dieser Freimann wohnte in einer belebten Straße; die Tür seines Kontors war stark mit Eisen beschlagen. Man gelangte durch einen länglichen Bürosaal in das Zimmer des Chefs. Der erstere enthielt wohl ein Dutzend Schreibtische, welche voller Geschäftsbücher lagen. Das machte den Eindruck, als ob hier bedeutende Geschäfte abgewickelt würden; aber diese Tische standen stets leer. Nur an einem derselben stand ein altes, trockenes Männchen und kaute an dem trockenen Gänsekiel – es gab keine Arbeit für sie.
    Da klingelte es im Zimmer des Herrn. Der Schreiber brummte leise vor sich hin und trat ein.
    Herr Freimann war, das sah man auf den ersten Blick, ein Jude; er hatte ein ausgesprochen israelitisches Gesicht, und der Ton seiner Stimme klang eigentümlich

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