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63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

Titel: 63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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es vielleicht nötig sein werde, eine Art Zwang auszuüben.“
    „Sie denken, daß Werner sich weigern werde?“
    „Ja.“
    „Das wäre lächerlich!“
    „Ist ihm aber zuzutrauen. Es selbst wird eine Weigerung keinesfalls lächerlich finden.“
    „Wollen sehen. Ich werde ihn jetzt kommen lassen.“
    „So bitte ich ergebenst, mir das Mädchen zur Probe zu senden.“
    „Sie haben doch heute vormittag geprobt?“
    „Aber ohne sie. Sie muß doch Attitude nehmen.“
    „Wann soll sie kommen?“
    „So bald sie kann.“
    „Werde es besorgen. Adieu!“
    Der Regisseur ging. Eben wollte der Intendant seinem Diener klingeln, als derselbe eintrat.
    „Habe Besuch zu melden, Herr Intendant“, sagte er.
    „Wen?“
    „Der Herr Bruder ist soeben angekommen.“
    Man sah es dem Theaterleiter an, daß er sich über diese Botschaft freute.
    „Wo ist er?“ fragte er.
    „Da der Regisseur bei Ihnen war, habe ich den Herrn Bruder in das Gästezimmer geführt. Er wird aber sofort erscheinen.“
    „Schön! Weißt du, wo der Theaterdiener Werner wohnt?“
    „Straße und Hausnummer weiß ich, wenn ich auch noch nicht dort gewesen bin.“
    „Gehe zu ihm! Er soll sofort zu mir kommen. Natürlich aber hat er zu warten, falls mein Bruder sich bei mir befinden sollte.“
    Jean ging. Bald darauf ließen sich draußen dröhnende Schritte hören, und dann trat ein Mann ein, welchem man den Kunstreiter von weitem ansehen konnte. Er besaß Ähnlichkeit mit dem Intendanten, war aber bei weitem jünger und kräftiger als dieser. Er trug Frack, weiße Reithosen, hohe Sporenstiefel und die unvermeidlichen Stulpenhandschuhe.
    Die Brüder begrüßten sich herzlich. Auf einem Seitenbuffet stand Wein. Der Intendant füllte zwei Gläser, welche geleert wurden, und sagte dann:
    „Du überraschst mich in freudiger Weise, zumal du mir deine Ankunft nicht gemeldet hast. Willst du hier arbeiten?“
    „Nein. Ich darf dir nicht in das Gehege kommen.“
    „Das ist sehr vernünftig von dir gedacht. Vielleicht bist du mit deiner Truppe auf der Durchreise?“
    „Ja. Wir wollen in Rollenburg Vorstellungen geben. Hast du gehört, daß ich einen Zirkus erworben habe?“
    „Ja. Nun endlich bist du Direktor geworden! Wie lange bleibst du hier?“
    „Nur bis morgen. Meine Truppe ist noch nicht eine eng geschlossene, also ist meine Gegenwart sehr nötig.“
    „Hast du gute Kräfte?“
    „Ich bin sehr zufrieden.“
    „Höhere Reitkunst? Pferdedressur?“
    „Von allem etwas. Besonders vorzügliche Clowns habe ich; sogar eine Riesendame.“
    „Wie? Was? Mit Riesendamen gibt du dich ab?“
    „Warum nicht?“
    „Ist das nicht ordinär?“
    „Ganz und gar nicht. Das Publikum ist ein vielköpfiges Wesen, und jeder Kopf will befriedigt sein. Ein tüchtiger Restaurateur muß Austern und Kaviar für Feinschmecker und Schnaps und Käse für den Tagelöhner haben. So muß auch ich für alle Geschmacksrichtungen sorgen. Übrigens ist meine Riesin wirklich sehenswert.“
    „Wie heißt sie?“
    „Aurora.“
    „Ein sehr morgenrötlicher Name! Wie heißt sie aber denn eigentlich?“
    „Aurora ist ihr wirklicher Name. Vollständig aber heißt sie Aurora Bormann.“
    „Sapperment! Ist sie etwa mit dem sogenannten Riesen Bormann verwandt?“
    „Ja. Er ist ihr Bruder. Ein zweiter Bruder ist auch Künstler; Seiltänzer und Kraftmensch, glaube ich. Diese Bormanns gehören eigentlich in frühere Jahrhunderte zurück, in welchen die Riesen sich noch Berge an die Köpfe warfen und Flüsse austranken. Diese Aurora arbeitet sehr gut. Sie hat mir fast ebensoviel Geld eingebracht wie meine Tau-ma.“
    „Tau-ma? Was ist das?“
    „Das weißt du nicht?“
    „Nein.“
    Der Kunstreiter goß sich ein Glas voll Wein, trank es langsam aus und sagte dann:
    „Bruder, du dauerst mich!“
    „Warum denn?“
    „Du willst ein Stern am Himmel der Kunst sein und weißt doch nicht einmal, welche Künste es gibt?“
    „Pah! Ich habe dieses fremde Wort noch nie gehört.“
    „Ich weiß auch nicht, welcher Sprache es entstammt.“
    „Was aber hat man darunter zu verstehen?“
    Der Kunstreiter erhob sich, nahm die Stellung eines Ausrufers an und antwortete:
    „Meine Herrschaften, immerrrr herrrran, herrrran! Hierrrr ist zu sehen Tau-ma, das grrrrößte Wunderrrr derrrr Welt, eine junge, bildschöne Dame, welche nurrrr aus dem Oberkörrrrperrrr besteht und wederrrr Unterleib noch Beine besitzt!“
    „Pst! Pst! Nicht so laut!“ warnte der Intendant. „Wir befinden uns nicht auf dem

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