64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
daß er bald wiederkommen werde. Diese Stimme erkannte ich. Es war der Hauptmann. Ich schlich ihm nach und belauschte euch. Nun aber wollen wir versuchen, ob wir noch mehr entdecken können.“
„Sie meinen, daß wir in das Gebäude wollen?“
„Ja.“
„Sie können uns sehr leicht bemerken.“
„Wir nehmen uns in acht.“
„Steht der Posten noch dort am Tor?“
„Jedenfalls. Wir folgen der Mauer bis hinter die Ecke. Vielleicht finden wir da eine Stelle, wo wir sie übersteigen können. Dann wird sich das übrige finden.“
Die erwähnte Mauer umschloß ein ziemlich bedeutendes Viereck. Sie war stark und gewiß drei Ellen hoch. Indem die beiden an ihr hinschritten, kamen sie an eine Stelle, wo sich aus irgendeinem Grund einige Steine losgelöst hatten.
„Hier?“ fragte Adolf.
„Ja; es geht.“
Sie kletterten hinüber.
„Was aber nun?“ meinte der Polizist. „Wollen wir hier über diese freie Stelle bis hin zum Gebäude, so riskieren wir es, bemerkt zu werden.“
„O nein. Hier ist mein Bettuch. Wir halten es vor uns hin, so wird man uns vom Schnee gar nicht unterscheiden können.“
Das wurde so ausgeführt, und auf diese Weise gelangten sie glücklich an das Gebäude heran. Dieses hatte breite Fensteröffnungen, welche vom Dach an bis fast herab auf den Boden reichten. Die Fensterscheiben fehlten.
„Sogar das Glas ist verkauft worden“, sagte Adolf. „Nun wettert es hinein. Wer soll das Ding kaufen!“
„Hast du das Innere einmal gesehen?“
„Oft.“
„Aus wie vielen Abteilungen besteht es?“
„Aus einer einzigen. Es gibt nur die vier Umfassungsmauern, welche ein Rechteck bilden, in welchem früher die Maschinen standen.“
„So müßte man, wenn es Tag wäre und man hier zu diesem Fenster hineinblickte, den ganzen Raum übersehen können?“
„Ja, vollständig.“
„Dann halten die Leute, welche ich eintreten sah, ihre Versammlung im Dunkeln. Hätten sie Licht, so müßten wir es unbedingt sehen.“
„Das ist wahr; aber – halt, Durchlaucht, bemerken Sie dort hinten nicht einen hellen Schein?“
„Fast ist es so!“
„Es ist, als ob er aus der Erde käme.“
„Ich sehe es. Gibt es dort einen Keller?“
„Nein, aber die weite Vertiefung, in welcher sich die Dampfkessel befunden haben!“
„Ah, so stecken sie dort unten. Ich glaube nicht, daß man auch hier Wachen aufgestellt hat. Die eine vorn an der Mauer genügt. Laß uns durch das Fenster steigen!“
Sie gelangten in das Innere des verwüsteten Gebäudes und schlichen sich an der Wand hin.
Der erwähnte Lichtschein wurde desto bemerkbarer, je weiter sie sich ihm näherten. Endlich standen sie vor der Grube, von welcher Adolf gesprochen hatte. Diese war mit starken Quadern eingemauert; eine aus demselben Material bestehende Treppe führte hinab. Man sah es, daß da unten die mächtigen Dampfkessel gestanden hatten. Jetzt aber war der Platz leer.
Zwei Blendlaternen brannten unten, und beim Schein derselben gewahrten die Lauscher zahlreiche dunkle Gestalten, in deren Mitte einer stand, welcher mit gedämpfter Stimme Befehle auszuteilen schien.
„Das ist der Hauptmann“, flüsterte Adolf.
„Jedenfalls. Schade, daß er leise spricht! Schleichen wir uns in die Nähe der Treppe. Vielleicht hören wir etwas, wenn sie dann gehen.“
Sie huschten am Rand der Grube hin, und wieder war es eine Gunst des Zufalls, daß gerade in der Nähe der Treppe eine Menge Sandsteinquader lagen, hinter denen sich die beiden verstecken konnten.
So sehr sie sich auch anstrengten, sie konnten nichts verstehen. Endlich aber hörten sie ein lautes „Gute Nacht“. Die Männer kamen einzeln herauf und entfernten sich. Die beiden Laternen wurden verlöscht. Es war völlig grabesdunkel umher.
Trotz dieser Finsternis bemerkten die beiden Lauscher, daß jemand ganz in ihrer Nähe stehengeblieben sei. Sie hielten nun sogar den Atem an.
Schon glaubten sie, daß dieser der einzige noch Anwesende sei, da hörten sie abermals Schritte die Treppe heraufkommen, und dann sagte der in ihrer Nähe Befindliche:
„Hauptmann!“
„Was? Noch jemand hier?“ lautete die Frage.
„Ich bin es: Jakob Simeon.“
„Ah, der Goldarbeiter. Warum wartest du noch?“
„Um Bericht zu erstatten. Es ist ja nicht für die Ohren der anderen.“
Jetzt war der Hauptmann zu ihm getreten. Die Lauscher verstanden ein jedes der gesprochenen Worte.
„Nun, bist du glücklich gewesen?“
„Ich denke.“
„Also, erzähle!“
„August Seidelmann wird
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