64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
gehe hin, nachher, und du sollst mich begleiten. Sonst noch etwas Neues?“
„Ja. Salomon Levi ist arretiert.“
„Unmöglich! Du meinst doch den Juden in der Wasserstraße?“
„Ja. Es gibt keinen zweiten Salomon Levi.“
„Weshalb ist er eingesteckt?“
„Das konnte ich nicht erfahren. Übrigens ist dem Kerl diese Lektion recht gut zu gönnen.“
„Pst! Er war ein Verbündeter von uns!“
„Aber ein Schinder! Ich habe wiederholt für ihn gearbeitet, aber nie den vollen Lohn erhalten. Vor einiger Zeit mußte ich ihm ein Medaillon fälschen. Ich verlangte fünf Gulden; er aber gab nur drei.“
„Fälschen? Ein Medaillon? Wie ist das möglich? Zu welchem Zweck?“
„Das weiß ich nicht. Es war eine Kette mit Medaillon. Das letztere hatte die Form eines Herzens und zeigte eine Freiherrnkrone mit den Buchstaben R.v.H. Ich mußte ein ähnliches Herz machen und die angegebenen Buchstaben in R.u.H. umändern. Das ist alles, was ich weiß.“
„Da steckt nun freilich etwas dahinter! Nun, jetzt aber wollen wir gehen. Wir trennen uns jetzt, treffen uns aber in einer halben Stunde an der niederen Ecke der Palaststraße. Von da aus suchen wir in den Garten des Fürsten zu gelangen. Wenn sie es wirklich ist, bekommst du deine dreihundert Gulden.“
„Sie ist es. Ich kann zehn Eide ablegen.“
„Desto besser für dich.“
Sie entfernten sich.
„Sapperment, das ist nicht übel!“ flüsterte Adolf.
„Höchst wichtig!“
„Wenigstens das von der Baronin.“
„Das andere auch. Aber wir müssen uns beeilen. Wir müssen dafür sorgen, daß sie die Baronin nicht sehen. Wir nehmen die erste beste Droschke, um ihnen zuvorzukommen.“
„Sie werden durch das Fenster gucken. Wollen wir sie festnehmen lassen?“
„Das hätte keinen Zweck.“
„So schlage ich vor: Es legt sich eine andere in das Bett.“
„Natürlich! Die Köchin mag sich hineinlegen. Besorge du das. Ich werde den Hauptmann beobachten. Ich verstecke mich in der Veranda.“ –
Nach einer halben Stunde traf der Hauptmann mit Simeon zusammen. Sie stiegen über das eiserne Staket in den Vorgarten und gelangten so hinter den Palast. Alle Fenster der hinteren Front waren dunkel. Nur eines war erleuchtet.
„Ist es das?“ fragte der Hauptmann.
„Ja. Gerade über der Veranda.“
„Wollen erst rekognoszieren, ob jemand da ist.“
Sie durchstrichen vorsichtig den Garten, und als sie nichts Besorgniserregendes bemerkten, stiegen beide an der Veranda empor.
Der Hauptmann befand sich in einer beinahe fieberhaften Spannung. Er blickte durch das Fenster. Ja, da lag eine schlafende Frauengestalt im Bett, in ein weißes Nachtgewand gehüllt. Im ersten Augenblick ließ sich seine erregte Phantasie täuschen.
„Ja, ja, sie ist es!“ flüsterte er. „Alle Teufel! Die soll nicht lange mehr hier liegen bleiben!“
„Wollen Sie es ihrem Mann sagen, dem Baron?“
„Natürlich! Und sodann – aber, hm! Was ist denn das! Ich glaube, ich war soeben halb blind!“
„Wieso?“
„Sie ist es doch gar nicht!“
„Das ist unmöglich!“
„Sie ist es nicht, wahrhaftig nicht!“
„Ich wette um mein Leben, daß sie es ist.“
„Du würdest verlieren!“
„Ich kann sie hier nicht sehen. Die Gardine verhüllt sie mir. Bitte, erlauben Sie!“
Der Hauptmann rückte ein wenig zur Seite, und Simeon blickte hinein.
„Sapperment, was ist das denn?“ stieß er hervor. „Das ist sie ja nicht! Das ist eine andere!“
„Das habe ich auch gesehen.“
„Vorhin aber war es die Baronin.“
„Du hast dich geirrt.“
„Nein. Man hat sie umgetauscht.“
„Dieser Gedanke ist lächerlich! Glaubst du, daß der Fürst so wenig Betten hat, daß bei ihm Damen nacheinander in einem und demselben Bett schlafen müssen?“
„Er mag genug Betten haben oder nicht. Die jetzt da drinnen liegt, ist nicht diejenige, welche vorher drin lag.“
„Pah! Es ist dir eben geradeso gegangen wie mir: Deine Phantasie hat dir einen Streich gespielt.“
„Nein und nein! Was ich gesehen habe, das habe ich gesehen. Es ist gar kein Irrtum möglich.“
„Streiten wir uns nicht. Klettern wir lieber wieder hinab, sonst könnte man uns gar noch erwischen!“
Und als sie den Erdboden erreichten, fuhr er fort:
„Es tut mir leid, du hast dir die dreihundert Gulden also doch nicht verdient. Ich hätte sie dir gern gegeben.“
„Oh, ich bekomme sie schon noch!“
„Du hältst die Hoffnung fest?“
„Ja. Ich lasse mir nichts einstreiten. Ich habe die Baronin
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