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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kopfschüttelnd:
    „So habe ich dich noch nie gesehen. Herr Bertram hat es nicht um dich und uns verdient, daß du ihn in dieser Art zurückweist. Man kann doch wenigstens höflich sein!“
    Der Fürst war beinahe zornig geworden. Er bemerkte:
    „Gestern abend, als ich dort unter der Tür stand, hätte ich nicht geahnt, daß Ihnen solche Worte möglich seien. Ich stehe da vor einem psychologischen Rätsel. Ich hatte allerdings die Absicht Ihnen den Baron von Helfenstein vorzustellen, werde das nun aber nicht tun. Es kann nicht meine Absicht sein, ihn an der Seite eines herzlosen Weibes unglücklich werden zu lassen. Kommen Sie, Robert, wir wollen gehen.“
    Es war wirklich seine Absicht, ihr zu verschweigen, daß Robert der erwähnte Baron sei. Er verbeugte sich, um zu gehen, und Bertram tat dasselbe. Da aber machte Fanny eine abwehrende Handbewegung und sagte:
    „Bleiben Sie noch einen Augenblick, Durchlaucht! Ich sagte Ihnen gestern abend, daß Ihnen Ihre Absicht nicht gelingen werde. Erinnern Sie sich noch dieser Worte?“
    „Ja.“
    „Wissen Sie, was ich meinte?“
    „Allerdings nicht.“
    „Nun, Sie wollten mich in Versuchung führen!“
    „Gewiß nicht.“
    „So war es ein kleiner Theatercoup, welchen Sie beabsichtigten. Sie wollten uns mit einer großen Neuigkeit überraschen. Aber ich bin Ihnen zuvorgekommen. Ich bin gestern, als meine Eltern mich schlafend glaubten, noch einmal ausgegangen.“
    „Doch nicht!“ sagte ihre Mutter.
    „Ja, gewiß, liebe Mama.“
    „Mein Gott! So spät! Und wohl gar allein?“
    „Freilich. Ich durfte niemand mitnehmen. Rückwärts freilich war ich nicht allein, da hatte ich einen sehr, sehr liebenswürdigen Begleiter.“
    „Das ist wahr, es passieren Unmöglichkeiten! Bei wem bist du denn gewesen, du Unvorsichtige?“
    „Bei Herrn Bertram hier.“
    „Aber weshalb denn?“
    „Um ihm zweierlei zu sagen. Nämlich erstens, daß ich ihn heiraten werde, und zweitens –“
    „Ich glaube, du redest irre, Mädchen!“ rief der Oberst. „Soeben hast du ihm den Korb gegeben, und jetzt –“
    „O bitte! Und zweitens wollte ich ihm sagen, daß er nicht Bertram heißt, sondern Helfenstein, Baron Robert von Helfenstein.“
    „Alle Teufel!“ rief der Vater erstaunt.
    „Wie? Helfenstein? Wäre das die Möglichkeit?“ fragte die Mutter, die Hände verwundert zusammenschlagend.
    „Ja. Fragt nur die beiden hier, den Fürsten und die gute, leider aber so verschwiegene Freundin Alma!“
    „Woher wissen Sie es?“ fragte der Fürst verwundert.
    „Von Ihnen.“
    „Von mir? Ich habe Ihnen ja kein Wort gesagt!“
    „Direkt nicht. Aber aus dem, was Sie gestern abend sagten, zog ich meine Schlüsse. Robert besitzt mein Herz schon längst. Als ich hörte, daß er Baron sei, fühlte ich mich zunächst nicht sehr erfreut. Ich hätte ihm als armem Dichter meine Liebe ja viel besser beweisen können. Da es aber einmal so war, so sollte er sein Glück so schnell wie möglich erfahren; darum ging ich zu ihm. Und nun sehen Sie ein, Durchlaucht, warum ich Robert Bertram den Korb gebe und Robert von Helfenstein wähle. Ihr Theatercoup ist also mißlungen!“
    „Weil Sie selbst eine so große Schauspielerin sind“, antwortete er lächelnd.
    Jetzt war er befriedigt. Er durfte wieder an das schöne Mädchen glauben, dessen Eltern sich übrigens nicht genug darüber wundern konnten, daß aus dem armen Bertram auf einmal ein Baron und Millionär geworden war.
    Größer als die Verwunderung aber war Almas Glück, endlich den Bruder umarmen zu können. Sie lagen sich Herz an Herz und weinten Tränen des Glücks und doch auch des Schmerzes darüber, daß sie für so lange Zeit auseinandergerissen gewesen waren.
    Natürlich legten der Oberst und seine Frau die Hände der beiden Liebenden mit größter und herzlichster Bereitwilligkeit ineinander, und als dann die Aufregung der Gefühle sich gelegt hatte und man zum Mahl ging, war es ein Festmahl, wie so froh und glücklich es hier noch keins gegeben hatte.

FÜNFTES KAPITEL
    Erbschleicher
    Der Frühling war ins Feld gegangen und hatte dem Sommer Platz gemacht. Es waren längst die duftenden Blütenflocken von den Bäumen gefallen, und an den Zweigen begannen die Früchte sich zu färben und zu runden.
    In der Residenz gab es davon freilich nicht viel zu sehen. Da reiften jetzt andere Früchte, und zwar die Früchte, auf welche die Erwartung der ganzen Bevölkerung des Landes gerichtet war: die Früchte des Monsterprozesses gegen den Baron

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