65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
sondern in aller Aufrichtigkeit. Kannst du mir vielleicht sagen, wieviel du brauchst?“
Da stellte Hagenau sich breitbeinig vor ihn hin und sagte:
„Mensch, bist du toll?“
„Nein. Ist es eine Tollheit, dein Freund zu sein?“
„Fast, wenigstens in dieser Beziehung.“
„Nun, so will ich es einmal mit dieser Tollheit versuchen.“
Es legte sich wie eine tiefe Rührung über Hagenaus unschönes Gesicht. Er streckte ihm beide Hände entgegen und meinte:
„Edmund, das werde ich dir nie vergessen, nie, obgleich es wohl nur bei dem bloßen Versuch bleiben wird.“
„Warum beim Versuch?“
„Ich brauche zuviel.“
„Das wollen wir erst sehen. Welche Summe ist nötig, um dich von den Manichäern zu befreien?“
„Höre und erschrecke: Ich brauche volle zwölftausend Gulden.“
„Hm! Das ist freilich nicht unbedeutend.“
„Da hast du es!“
„Bist du dann wirklich alle Sorgen los?“
„Alle nicht, aber die meisten und größten.“
„So erlaube einmal!“
Er stand auf und zog die Brieftasche hervor. Er öffnete sie, schob die auf dem Tisch befindlichen Gegenstände zurück und begann aufzuzählen, Banknote an Banknote, eine neben die andere.
„So“, sagte er endlich, als er aufhörte. „Das sind fünfzehntausend Gulden. Schaffe dir die Raben vom Hals und gib dich nicht wieder mit ihnen ab.“
Hagenaus Augen wanderten vom Freund auf die Noten, und wieder hin und her. Nach und nach füllten sie sich mit Tränen. Er wischte sie fort und sagte dann:
„Ja, das ist Freundschaft! Das ist eine Freundschaft, wie ich sie nicht für möglich gehalten hätte. Ich werde es dir, wie ich bereits sagte, nie vergessen, obgleich es bei dem Versuch bleiben wird.“
„Ich hoffe, daß du das Geld annimmst!“
„Nein, das tue ich nicht.“
„Warum aber nicht?“
„Weil ich kein Schuft sein will, der da borgt, ohne überzeugt zu sein, daß er auch bezahlen kann.“
„Du kannst bezahlen.“
„Nein. Laß mich aufrichtig sein! Ich habe –“
„Pah! Rede nicht, sondern steck das Geld ein!“
„Das tue ich nicht, wenigstens nicht, bevor du mich angehört hast.“
„Na, so rede meinetwegen!“
„Ich habe meinen Vater stets für sehr reich gehalten. Aber ich habe in Erfahrung gebracht, daß er ebenso wie ich zwei Passionen hatte. Er ist ein großer Freund von Gemälden, ohne aber Kenner zu sein. Er hat für Gemälde, von denen er überzeugt war, daß sie echt seien, Unsummen ausgegeben. Sodann hat er, ebenso wie ich, hoch gespielt, nicht mit Karten, sondern an der Börse. Er hat viel, sehr viel verloren. Als mein Bankier mir Zahlung verweigerte, machte er mich darauf aufmerksam. Er riet mir, mit dem Vater einmal genau Bilanz zu ziehen; dann soll ich wiederkommen. Das ist genug gesagt. Ich weiß, woran ich bin, und du wirst es nun auch wissen.“
„Ich habe es eher gewußt als du.“
„Ah! Wirklich?“
„Ja. Die teuren Gemälde deines Vaters sind fast wertlos. Er ist betrogen worden.“
„Alle Wetter!“
„Er hat ferner sich sehr verspekuliert. Er hat Chilenen in Masse gekauft und –“
„Chilenen?“ fiel Hagenau ein. „Das sind doch wohl jene unglücklichen Papiere, mit denen Scharfenberg so hereingeflogen ist, wie die Untersuchung ergeben hat?“
„Ja, dieselben. Dein Vater hat fürchterlich verloren. Euer Bankier ist auch der unserige. Ich ging zu ihm, um diese fünfzehntausend Gulden zu deponieren. Wir hatten die entbehrliche Frucht verkauft und erhielten vorgestern Zahlung. Beim Bankier kam die Rede auch auf deinen Vater. Der Mann machte mir zwar keine Mitteilung; das verbot ihm ja die Diskretion; aber ich merkte doch Einiges. Ich erfuhr, daß du wiederholt bei ihm gewesen seist, schloß weiter und gab mein Geld nicht hin, sondern habe es lieber dir gebracht.“
„Mensch, du bist des Teufels!“
„Das will ich doch nicht befürchten!“
„Du weißt, daß es schlecht mit uns steht, und kommst gerade darum, um mir so einen Haufen Geld anzubieten!“
„Ja, gerade darum. Ich kenne dich. Du bist ein halber Sonderling, aber ein Ehrenmann. Du wirst keinen Menschen in Verlust bringen. Ich leihe dir das Geld gegen vier Prozent bei jährlicher Kündigung. Deine Verhältnisse werden sich bessern, dann bezahlst du mich.“
Hagenau holte tief, tief Atem.
„Bedenke, daß ich meinen Abschied nehmen muß!“
„Das eben bedenke ich. Bliebst du bei der Fahne, so wäre es dir unmöglich, auch nur die Zinsen zu bezahlen. Nun du aber ausscheidest, wirst du deinem Vater helfen,
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