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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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weites, dunkles und auch sehr altes Tuch ein. So eingewickelt sah sie aus wie ein altes Weib aus niedrigstem Stand.
    Jetzt öffnete sie einen Schrank, in welchem allerlei Fläschchen standen. Sie suchte eins derselben hervor, auf welchem ein Totenkopf gemalt war, darunter die Worte ‚Rauchende Schwefelsäure‘.
    „Das ist es, was in einer Minute das Fleisch von dem Knochen frißt!“ sagte sie. „Ihre Schönheit soll vernichtet werden, so häßlich, daß ihm graut, sie anzusehen. Ich werfe ihr das Fläschchen ins Gesicht, wenn sie aus dem Theater kommt. Aber das wird nicht wirken. Die Schwefelsäure muß in einem offenen Gefäß sein. Ich nehme noch eine alte Tasse mit. Das ist besser. Ja, ich habe es nicht tun wollen; aber sie liebt ihn und er liebt sie, und sie ist vor mir zusammengeschaudert. Darum soll er nun vor ihr schaudern! Und dann wird er kommen zu mir, weil ich bin schöner als sie, tausendmal schöner! Und ich werde ihn empfangen mit der Zärtlichkeit einer Braut, und mit Liebesglut, in der sein Herz aufflammen soll.“
    Sie steckte das Fläschchen mit der rauchenden Schwefelsäure ein und die Tasse dazu und begab sich, nachdem sie das Haus wieder verschlossen hatte, nach dem Eingang des Theaters, in dessen Nähe, wie sie wußte, die Hellenbachsche Equipage zu halten pflegte.
    Dort stellte sie sich hinter eine Säule, wo es dunkel war und man sie also nicht bemerken konnte. Hier wartete sie bis zum Schluß der Vorstellung. Die Zuschauerräume entleerten sich. Jetzt trat sie aus dem Versteck hervor. Sie bemerkte die erwartete Equipage und huschte hinter dieselbe.
    Niemand achtete auf sie. Die meisten entfernten sich sofort, zu Fuß oder zu Wagen. Andere standen in Gruppen beisammen, um sich über die beendete Vorstellung noch einige Bemerkungen zuzuwerfen. Da trat Robert Bertram mit Fanny von Hellenbach aus dem Portal. Er nahm ihren Arm und führte sie zur Equipage.
    „Sie begleiten mich doch bis zum Haus?“ fragte sie.
    „Gern, sehr gern“, antwortete er in glücklichem Ton.
    Sie traten zum Wagen. Der Diener hatte am Schlag gewartet und öffnete denselben. Da trat Judith herbei. Noch war sie ihrer Sache nicht ganz sicher, da Fanny im Schatten der Gaslaterne stand und ihr Gesicht nicht ganz deutlich zu erkennen war.
    „Sind Sie Fräulein von Hellenbach“, fragte die Jüdin.
    „Ja“, antwortete Fanny. „Was wünschen Sie?“
    Judith hatte den Inhalt des Fläschchens in die offene Tasse gegossen. Sie trat schnell ganz nahe heran und antwortete:
    „Ich wünsche nichts; ich will Ihnen vielmehr etwas geben. Hier haben Sie es!“
    Sie holte aus, um ihr die fressende Säure in das Gesicht zu schleudern.
    Robert hatte zwar die verhüllte Gestalt hinter dem Wagen bemerkt, doch kein Befremden empfunden. Aber als sie näher trat und nach dem Namen der Geliebten fragte, überkam ihn ein plötzlicher Verdacht, denn er erkannte die Stimme der Jüdin. Er bog den Kopf weit vor und erblickte trotz der Verhüllung die israelitische Nase und die funkelnden Augen. Als sie mit der Tasse ausholte, erfaßte er den Arm des Mädchens. Er konnte ihn nicht vollständig zurückhalten, aber die Säure flog wenigstens Fanny nicht in das Gesicht.
    „Unglückliche! Was fällt dir ein!“ rief er, sie am Arm festhaltend.
    Sie wollte sich ihm entwinden, um zu entfliehen, aber er ergriff sie auch mit der anderen Hand, und da war sie nun allerdings zu schwach, ihm zu entkommen.
    „Gerächt habe ich mich!“ knirschte sie. „Jetzt siehe nun ihre hübsche Larve an.“
    „Herrgott!“ rief er erschreckt. „Haltet sie fest!“
    Der Diener hatte sie mit gepackt, und auch der Kutscher sprang vom Bock. Der Vorgang erregte natürlich Aufsehen, und es bildete sich eine dichte Gruppe Neugieriger um die Equipage. Auch einige Polizisten, welche heute Theaterwache gehabt hatten, kamen herbei und fragten nach der Ursache des Lärmes.
    „Man hat diese Dame überfallen“, antwortete Bertram. „Sind Sie verletzt, gnädiges Fräulein?“
    „Ich fühle nichts“, antwortete Fanny.
    Ihre Stimme zitterte vor Schreck.
    „Überfallen?“ fragte der Polizist. „Wer hat es getan?“
    „Dieses Frauenzimmer.“
    „Mit einer Waffe?“
    „Nein. Aber hier hat sie noch die Tasse in der Hand, aus welcher sie Fräulein von Hellenbach beschütten wollte. Wie aus ihrer Rede hervorgeht, sollte das Gesicht dieser Dame beschädigt werden.“
    „Ah, etwa eine Säure? Zeigen Sie her!“
    Er nahm der Jüdin die Tasse aus der Hand und roch daran.
    „Es

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