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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kräftigen, treuherzigen Weise antwortete, erwarb er sich sogar das Wohlgefallen des Barons in dem Maße, daß dieser ihn zum Sitzen einlud. Dann suchten sich die beiden Damen verschiedenes aus, Kleinigkeiten, die sie vielleicht auch selbst gebrauchen konnten, und anderes, was gelegentlich zu einem Geschenk für untergeordnete Personen taugte. Und als dann zusammengerechnet wurde, machte der Betrag an die fünfzig Mark.
    „Himmelsakra!“ rief der Krickel-Anton. „Das ist halt ein Geschäft! So eins hab ich halt gar noch nimmer gemacht. Wann das all Tag so wär, so fragt ich den Herrgottl, was der Montag bis zum Sonnabend kost, und den Sonntag müßt er mir dreingeben; sodann wär die Welt mein Eigentum, und ich –“
    „Nun, was würdest du da machen?“ lächelte der Baron.
    „Ich gäb alls dem Vatern und der Muttern, denn das ist halt meine größte Freuden, wann auch die sich über was gefreun können.“
    „Das ist brav von dir, und ich mein –“
    Er konnte nicht sagen, was er meinte, denn es klopfte an die Tür, und zwar so stark und kräftig, wie der Baron es wohl nicht gewohnt war.
    „Herein!“ sagte er, indem er die Brauen zusammenzog und ganz so aussah, als ob der unhöfliche Klopfer sich auf eine bedeutende Rüge gefaßt machen könne.
    Aber sein Gesicht heiterte sich sofort auf, als er einen Blick auf den Eintretenden warf.
    Dieser war ein sehr langer und pfahldürrer Kerl, hager zum Zerbrechen und mit einer Nase, welche eigentlich bestimmt gewesen schien, als Zeiger einer Sonnenuhr zu dienen. Sein Anzug war ein sonderbarer.
    Er trug lange Stiefeln, von deren oberen Rand breite, bunte Schleifen herabhingen. In den Schäften dieser Stiefel steckte eine kurze Hose, deren rechte Hälfte rot, die Linke aber gelb aussah. Die Weste war grasgrün, und der Frack, dessen Schöße bis an den Boden reichten, war, ganz entgegengesetzt der Hose, rechts gelb und links rot. Zwei Vatermörder stachen aus einem himmelblauen Halstuch hervor. In der linken Hand hielt der Mann einen riesigen Regenschirm mit einem karmesinfarbenen Überzug und in der rechten einen Dreispitz mit einem gelben Federbusch. An der Brust, dem Gürtel, den Achseln und Ellbogen waren bunte Bänder und Schleifen befestigt.
    Das allerbeste an dem Mann aber war unbedingt sein Gesicht. Etwas Dümmeres konnte es nicht geben. Die reichste Phantasie eines Malers hätte es nicht vermocht, dümmere Züge auf das Papier zu bringen, als diejenigen waren, welche dieser Mann hatte. Und zwar sah man auf den ersten Blick, daß er sich nicht etwa verstellte, sondern daß diese Dummheit sein wirkliches, unbestrittenes Eigentum sei.
    Das war der Hochzeitsbitter des Dorfes, von welchem bereits im Wald erwähnt worden war, daß man, wenn er gesprochen habe, nicht wisse, ob er zu einer Hochzeit, einer Kindstaufe, einem Begräbnis oder einem Schweineschlachten eingeladen habe. Er hatte das Amt, welches er bekleidete, wohl aus reiner Ironie, höchstens aus Mitleid erhalten, um sich zuweilen eine Kleinigkeit verdienen zu können, da er zu einem einträglichen und geordneten Geschäft oder Handwerk die Gabe nicht besaß.
    Dennoch hielt er sich keineswegs für so albern, wie er war. Er meinte, ein verkanntes und verfolgtes Genie zu sein. Seine größte Leidenschaft war es, eine Rede zu halten, und das war ein Unglück für ihn und eine ewige Quelle der Heiterkeit für diejenigen, welche ihm zuhörten.
    Als er die Tür hinter sich zugezogen hatte, trat er drei kleine, zierliche Tanzmeisterschritte vor, verbeugte sich mit der Grandezza des vorigen Jahrhunderts, schwenkte Hut und Regenschirm leise einmal hin und her und fragte:
    „Hab ich die Ehr, meine Herrschaften?“
    „Welche Ehre meinen Sie?“ fragte der Baron.
    „Die große Ehr.“
    „Nun weiter! Welche?“
    „Sie zu sehen?“
    „Ja, diese Ehre haben Sie.“
    „Nämlich den Herrn Baron zu sehn?“
    „Gewiß.“
    „Ich mein halt den Herrn Baron von Stauffen?“
    „Der bin ich.“
    „Mit den zwei lieblichen Kindern der Schönheit?“
    Er machte jeder der jungen Damen eine Verbeugung, wie er übrigens bei jeder Frage eine solche gemacht hatte.
    „Diese Damen sind meine Töchter.“
    „Die natürlichen aber!“
    Der Baron blickte fast zornig auf, machte aber sofort wieder ein lächelndes Gesicht, als er das Schafsgesicht des Mannes sah.
    „Ja, meine natürlichen Töchter.“
    „Freut mich! Sie wohnen hier?“
    „Wie Sie sehen.“
    „Schön! Weil Sie hier wohnen, komme ich hierher.“
    „Sehr

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