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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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angenehm.“
    „Im Auftrage des Müllers.“
    „Ah!“
    „Ja! Sie sind zwar heut erst eingezogen, aber doch ist es seine Pflicht, Sie mit einzuladen, da Sie eben bei ihm wohnen.“
    „Einladen? Wozu?“
    „Warten Sie! Das geht nicht so rasch, wie sie denken. Das will richtig oratorisch und rhetorisch behandelt sein.“
    „Gut! Tun Sie das!“
    Der Baron lehnte sich an den Tisch und kreuzte erwartungsvoll die Arme über die Brust. Seine Töchter standen neben ihm, und der Krickel-Anton saß auf dem Stuhl, von welchem aufzustehen er wegen dieses Mannes sich nicht verpflichtet hielt. Die Bänder und Schleifen am Anzug des Hochzeitsbitters ließen ahnen, weshalb er gekommen sei.
    Er lehnte den Regenschirm in die Ecke, zog ein rot- und blaugewürfeltes Taschentuch aus dem langen Frackschoß – es hatte beinahe die Größe eines Tischtuches –, trocknete sich damit die Stirn, schwenkte den Hut, hustete, räusperte sich, schlug die Augen andachtsvoll auf, hustete wieder –
    „Himmelsakra!“ rief der Anton. „Mach jetzt, daß du anfängst, sonst klopf ich dir aufs Gesäß, dann wird's schon kommen!“
    Der Bunte warf ihm einen vernichtenden Blick zu, verbeugte sich vor den andern und sagte:
    „O santa sombolia! Verzeihn Sie ihm halt! Er weiß nicht, was er tut. Schon der Dichter sagt: Es liebt die Welt, das Niedrige zu schwärzen und das Gemeinste in den Staub zu fliehn oder ziehn oder blühn oder grün. Jetzt kann ich nun seinetwegen wieder von vorn anfangen. Also, passen Sie halt auf!“
    Er strich sich wieder mit dem gewürfelten Riesentuch über die Stirn, hustete, räusperte sich, schwenkte den Hut, verbeugte sich tief und begann:
    „Damals, als der Vater Abraham mit dem Apostel Paulus in Paris zusammengetroffen ist, und der Apostel hat noch nicht heiratet gehabt, hat der Erzvater Abraham zu ihm sagt: Es ist nicht gut, daß zwei Menschen allein seien; ich geb dir eine Frauen und du gibst mir eine; nachhero ist uns allen beiden geholfen.“
    Er wischte sich die Stirn ab und fuhr fort:
    „Da hat der Apostel Paulus die Sarah genommen, und der Vater Abraham hat die Judith geheirat, nicht auf dem Standesamt, wie's jetzt und Mod ist, sondern in der Kirche allein, wie sich's schickt und gehört und wie's auch schon allbereits damals war. Und nachher drei Jahr später, als der Kaiser Rotbart in Bethlehem den Kindermord hat töten lassen, ist eins davon ins Wasser fallen, und der Moses hat's herausgezogen und gerettet; darum ist die Wassertaufen eingerichtet worden bei den Kindern Israels, alsgleich es der Pharao nicht hat dulden wollen. Aber grad ihm zum Trotz taufen wir noch heutzutag die Jungs und die Mäderls, damit die Hebamme etwas verdienen kann und ich auch.“
    Er trocknete sich wieder den Schweiß ab.
    „Kannst deine Sache sehr fein!“ lachte der Anton.
    Der Bunte zuckte mitleidig die Achsel und sagte:
    „Kinder und Narren reden die Wahrheit. Das hat schon allbereits der erste Napolium gesagt. Jetzt nun weiter! Und nachher, als einst der Hiob nach Rom kommen ist und der arme Lazarus storben war, da trat er an den Eingang der Gruft und spuckte dreimals aus und rief hinunter: ‚Perlikkum, perlokkum; komm heraus!‘ Nachher kam der arme Lazarus wieder heraus und war lebendig und hat noch lange gelebt, und von ihm stammen noch ab die Kananiter, die Moabiter, die Ammoniter, die Hethiter, die Raubritter und auch wir Leichenbitter. Alles, was hinten hinaus mit ‚iter‘ zu Ende geht. Darum wird von jener Zeit das Begräbnis eines jeden Menschen mit einer Festlichkeit begangen, Kuchen, Schnaps, Glockengeläut, Leichenred und Enterbungsprozeß.“
    Der Baron wußte nicht, was er aus diesem Mann machen solle. Er hatte noch nichts von ihm gehört. Verrückt konnte der Kerl doch nicht sein! In Wahrheit hatte er bereits drei Einleitungen gebracht, zu einer Hochzeits-, Kindstauf- und Leichenfestlichkeit. Und jetzt brachte er die vierte, nachdem er sich die Stirn abermals getrocknet hatte:
    „Und wann nachher der Mann geheiratet hat und die Kinder allzusammen getauft worden sind und keiner mehr sterben tut, nachhero kommt der Herbst, wo's notwendig wird, für den Winter zu sorgen, wo draußen nix mehr wächst und alles derfrieren tut. Darum wird nachhero die Sau aus dem Stall gezogen und totgeschlagen, Salz dazu und Salpeter, daß hübsch rot wird, Pfeffer, Majoran und Thymian hinein, auch Zwiebeln oder Knoblauch, drei Mark Schlachtsteuer, und die Sach ist fertig, das schönste Familienfest im ganzen

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