66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
freilich!“
„Oder wann einer einen guten Schluck tun will und macht das Wandschränkerl auf und nimmt die Flaschen heraus, in der der Kirschgeist ist und trinkt und trinkt, bis sie leer ist, und dann merkt er, daß es die Fischtranflaschen gewesen ist, und er gibt alles wieder von sich, seiner künftigen Schwiegermuttern auf die weißseidene Schürzen, so daß sie aufspringt und davonläuft und ein Hallodria macht zehn Dörfer weit – so ist die unglückliche Lieben; so ist's einem zumut, wann man eine haben will und kann sie doch nicht haben.“
„Deine Beispiele sind außerordentlich kräftig.“
„Das braucht's auch, denn eine unglückliche Lieb ist nix Sanftes und Zuckeriges. Das darfst mir glauben.“
„Ist's denn wirklich aus mit der Leni?“
„Ja.“
„Nur weil sie zum Theater gegangen ist?“
„Ist das nicht genug?“
„Sie kann ja eine große Künstlerin werden!“
„Eine brave Frau, welche Scham und Ehr besitzt, ist tausendmal mehr wert, als die größte Künstlerin; halb nackt auf der Bühn herumlaufen, das ist keine Kunst, sondern eine Schand und eine Sünd!“
„Das verstehst du nicht!“
„Schön! Und dem Herrgottle sei Dank, ich mag's auch gar nicht verstehn.“
„Wenn Sie eine Griechin oder eine Römerin geben soll, so muß sie sich doch so kleiden, wie die damaligen Frauen gegangen sind.“
„Warum muß sie eine Griechin oder eine Römerin geben? Sie mag dem Krickel-Anton seine Frau geben; dann kann sie sich so kleiden, wie's Sitt und Brauch ist. Verstanden?“
„Sieh, ich kleide mich ja auch anders, wenn ich dichte. Dann ziehe ich mich als Muse an.“
„Nein, dann ziehst du dich nur halb an; das hab ich ja gesehen. Aber du kannst's; du bist deine eigene Herrin und eine Dichterin dazu. Vielleicht brauchen sich die nicht zu schämen, und wann sie nackt auf dem Jahrmarkt herumlaufen. Aber wir wollen uns nicht streiten. Lieber wollen wir ein Geschäft machen. Also, kauftst mir was ab?“
„Ich will sehen, ob du etwas hast, was ich brauchen kann.“
„Das ist nicht notwendig. Kauf nur immerzu! Wann du's nicht selber brauchst, so kannst's ja verschenken. Es gibt genug arme Schacherln, die du ganz glücklich machen kannst, wann du ihnen ein Schnürsenkerl, ein Ringerl oder ein hübsch Lauskammerl gibst.“
„So komm mit herauf zum Vater und zur Schwester. Die mögen sich etwas auswählen.“
Er folgte ihr mit in die Wohnung, welche der Baron von Stauffen heut mit seinen Töchtern bezogen hatte. Der alte Herr hatte ein sehr vornehmes und ehrwürdiges Aussehen. Bei einem schärferen Blick aber sah man es ihm an, daß ein stiller Kummer in seinem Innern nagte – der Kummer über seine Töchter. Die eine war mondsüchtig und die andere litt an dichterischer Überspanntheit.
Der Baron war zum Ausgehen angekleidet. Als der Krickel-Anton bei ihm eintrat und ihn stehen sah, lachte er fröhlich auf und sagte:
„Himmelsakra! Schau, das kenne ich. Das ist hübsch!“
„Wer ist dieser Mann?“ fragte der Baron streng.
„Wer ich bin? Das weißt nicht? Nun, ich bin der Krickel-Anton, und die Hosen und Westen, der Gottfried, den du anhast, die Manschetterln und der Ziehharmoniehut da auf deinem Kopf, in all diesen Sachen hab ich auch schon einmal steckt. Weißt's halt nicht?“
„Ah, das ist also der Gamsjäger, der damals unter deinem Schutz geflohen ist, Franza?“
„Ja, lieber Vater.“
„Nun, das war ein Streich, welchen ich mildestens einen unüberlegten nennen muß. Da er aber keine unangenehmen Folgen nach sich gezogen hat, so will ich ihn nicht fernerhin erwähnen. Also dieser Mann ist der Held jener Tatsache. Was will er hier?“
„Was ich will?“ meinte der Anton. „Schau, ich komm zu dir, damit du mir etwas abkaufst.“
„Was hast du denn?“
„Sollst's gleich sehen.“
Er setzte seinen Kasten an, öffnete ihn und legte vor.
„Nun“, sagte der Baron lächelnd, „das sind lauter Sachen, die wir eigentlich nicht gebrauchen können.“
„Was schadet das? Bist ja ein Baron und auch reich. Wer will's dir verwehen, wann du kaufst?“
„Ja, wir müssen den braven Menschen unterstützen, lieber Vater!“ bat Franza.
Ihre Schwester Elise, die Mondsüchtige, stand dabei und schaute mit mildem Blick auf den Tabulettkramer. Sie war eine Schönheit; das mußte jeder zugeben, der sie sah. Nichts als nur die Blässe und Feinheit ihres Gesichts hätte verraten, daß sie Nachtwandlerin sei. Sie begann ein Gespräch mit Anton, und als er in seiner
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