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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wie eine unbeschreibliche Verachtung um seinen Mund.
    „Der, und mich!“
    „Fürchtest ihn nicht?“
    „Hab ich etwa ausgeschaut, als ob ich ihn fürcht?“
    „Nein, freilich nicht. Aber ich habe dir auch niemals eine solche Körperkraft zugetraut!“
    Sie blickte bewundernd an seiner schlanken Gestalt empor. Er schüttelte trübe lächelnd den Kopf.
    „Ja, wirst mir auch noch viel anderes nicht zutraun. Der Fex ist ein Schwächling und Dummkopf. Er ist der Sündenbock, auf den alles hineinschlägt.“
    „Ich nicht, Fex, ich nicht!“
    „Ja, du nicht und noch einer!“
    „Wer noch?“
    „Der Wurzelsepp. Kennst ihn doch auch.“
    „Ja. Ihr beide habt freilich eine große Freundschaft. Dennoch darfst nicht denken, daß ich dich veracht. Nein, du bist mir wert. Du bist ja stets mein Schutz gewesen, wann ich als kleins Dirndl mal irgendein Angst und Jammer gehabt hab. Und vorhin, als der Franz nicht lassen wollt, da hab ich sogleich an dich dacht. Schau, der Hallodri hat dort hinter dem Busch standen und mich angeschaut, obwohl ich hier die Jacken ausgezogen hatte. Der Mensch hat weder Scham noch Ehr im Leib. Wie aber bist so schnell zur Hilf dagewesen?“
    Vorhin hatte sein bleiches Gesicht selbst während der Anstrengung des Kampfes sich nicht um einen leisen Schatten gefärbt; jetzt aber errötete er fast wie ein Mädchen.
    „Ich war hier nahe dabei.“
    „Wo?“
    „Dort.“
    Er zeigte nach der Richtung, in welcher der Baum stand, in dessen Zweigen er gesteckt hatte. Durfte er sagen, daß er sich da oben befunden hatte, nachdem sie so entrüstet über den Umstand war, daß der Fingerl-Franz sie belauscht hatte? Nein.
    Sie aber fühlte sich nicht befriedigt und fuhr fort.
    „Dort? Wie weit? Was hast denn getan? Du sollst ja unten am Wasser sein!“
    Sie blickte ihm forschend in die Augen, und er senkte den Blick wie ein Schulknabe, welcher bei irgendeiner Missetat ertappt worden ist.
    „Prächtig!“ flüsterte die Dichterin. „Das sollte man malen. Ein Gedicht aber werde ich drüber machen, ein Sonett von zwanzig Zeilen!“
    Wohl hatte sie nicht unrecht. Die beiden jungen Menschen bildeten eine Gruppe, welche eines geschickten Pinsels wert gewesen wäre.
    Wer den Fex jetzt erblickte, mußte sich mit Staunen fragen, wie er zu diesem erniedrigenden Beinamen gekommen sei. Freilich, er war mehr als armselig gekleidet. Schuhe trug er gar nicht; seine Füße waren nackt, und die Wadenstrümpfe, welche bis an das ebenso nackte Knie reichten, waren mit allen möglichen Farben geflickt, gestopft und ausgebessert, ebenso die kurzen Kniehosen, welche nicht einmal von einem Gürtel sondern nur von einer groben Hanfschnur an den Hüften festgehalten wurden. Eine Weste gab es auch nicht, und die dunkle Jacke war auch vielfach ausgebessert und ihrem Träger zu kurz geworden. Das weiße Hemd bestand aus den verschiedensten Flecken, Leinen, Halbleinen und Kattun von ebenso verschiedener Feinheit, aber es war sauber gewaschen.
    Überhaupt machte der junge Mensch trotz der großen Ärmlichkeit seines Anzugs den Eindruck peinlichster Sauberkeit und – noch etwas, was sich aber gar nicht so leicht herausfinden ließ. Fühlen konnte man es wohl, aber beschreiben nicht.
    Seine Gestalt war schlank aber nicht schwächlich; seine Glieder standen im schönsten Verhältnisse zueinander, und wer ihn zum ersten Mal sah, dem wurde es schwer, den Blick von seinem Gesicht abzuwenden, denn dieses Gesicht war ein eigenartig schönes. Der kleine, feine Mund, über welchem die ersten Sprossen des Bartes keimten, die zart gebogene Nase mit den beweglichen Flügeln, die hohe Stirn mit den tiefdunklen Brauen, unter denen tiefe, große Augen in der Bläue des Himmels leuchteten, das volle, blonde, kaum zu bewältigende Haar und dabei eine Haltung, so ungezwungen und doch dabei so stolz und selbstbewußt – das bildete ein Ganzes, welches eigentlich im größten Widerspruch stand mit dem Ausdruck halber Stupidität, den man in diesem Gesicht zu sehen gewöhnt war.
    Und jetzt, als die Frage des schönen Mädchens ihn peinlich berührte, trat dieser Ausdruck ganz und gar deutlich hervor. Wer ihn soeben sah, mußte ihn für einen stumpfsinnigen Menschen halten.
    „Es fuhr niemand über“, antwortete er langsam. „Da ging ist herein in den Wald.“
    „Was hattest da zu tun, Fex?“
    „Ich wollt – ich dacht – ich –“
    Er stockte; er war sehr verlegen geworden. Nun flog über ihr Gesicht eine helle Röte.
    „Halt, ich weiß, was

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