66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
du gewollt hast, Fex“, sagte sie. „Ich hab's leicht erraten, weil dich fürchtest, es mir zu sagen. Weißt, was es ist?“
Er antwortete nicht.
„Schlecht bist gewesen, ebenso schlecht wie der andre. Gesehen hast mich und belauscht! Willst leugnen?“
„Nein“, antwortete er aufrichtig.
Wie kam es nur, daß Paula vorhin, als sie erfuhr, daß der Fingerl-Franz sie belauscht habe, nur zornig geworden war und sich aber nicht geschämt hatte, während sie jetzt tief erglühte, da doch nur der Blick dieses stumpfsinnigen Menschen auf sie gefallen war? Im menschlichen Herzen liegen tiefe Rätsel vergraben. Wer vermag sie zu lösen?
„Also wirklich, hast mich angeschaut, als ich hier saß bei den Eichkatzerln und die Jack heruntergetan hatte? So, das ist sehr schön von dir. Jetzt kann ich mich nun auch noch vor dir in acht nehmen, nun ich weiß, daß du mir auch hinterher läufst!“
„Nein, das ist nicht wahr, Paula! Nachgelaufen bin ich dir nicht; das kannst glauben!“
„So! Bist etwa eher dagewesen als ich?“
„Ja.“
„So konntest nicht still fortgehen?“
„Nein; das ging halt nicht.“
„Warum?“
„Ich saß ja da oben auf dem Baum.“
Er zeigte empor nach dem Ort, an welchem er versteckt gewesen war. Jetzt wurde sie wirklich zornig bei der Vorstellung, daß er von da oben herabgeblickt hatte. Das Eichhörnchen hatte ihr die Halskrause zerrissen und sich da einen Schlupfwinkel gesucht, wo der Blick des Fex von oben ebenso leicht hatte eindringen können. Sie ballte die beiden, kleinen Hände und rief ganz aufgebracht:
„So, ein solcher Schubian bist? Auf die Bäum kletterst hinauf, um herabzuschaun, wo man sitzt und keine Ahnung hat, daß jemand da ist? Jetzt kannst mir wohl ganz gestohlen werden! Schäm dich in deine Seel hinein, Fex! Ich habe immer stets ein Stück auf dich gehalten und bin dir manchmal beigesprungen, wenn andere auf dich hineingehackt haben; jetzt aber mögen sie dich zwicken und zwacken, wie sie wollen, ich sag kein Wort mehr dazu. Du bist ein schlechter Kerl! Hast's verstanden?“
Er nickte langsam mit dem Kopf. Dabei ging ein ganz undefinierbares Etwas über sein Gesicht, fast wie ein Zug diplomatischer Schalkheit.
„Brauchst nicht gar so sehr bös zu sein, Paula“, meinte er. „Ich habe ja doch nicht hingeschaut.“
„Wohin denn, he?“
„Nun, wo das Eichkatzerl saß.“
„Ach so! Aber das Eichkatzerl hast gesehen?“
„Das schon.“
„Herrgott! Er will nicht hingeschaut haben und hat doch das Viecherl gesehen! Weißt, wer das Katzerl sieht, der – der – sieht auch das Nestl, worin es krochen ist, du heilloser Bub du!“
„Aber nachher hab ich mich gleich umidreht!“
„So! Hast also nur einmal hingeschaut?“
„Nur ein einzig Mal.“
„Und nur kurz, ganz kurz?“
„So kurz, daß ich fast gar nicht hingeschaut hab.“
„Aber was hast dann auf dem Baum zu suchen, wann du nicht wegen meiner hinaufsteigst?“
„Wegen denen Katzerln war ich halt oben.“
„So, wegen denen? Mach mir keine Flatusen vor! Es glaubt dir doch niemand.“
„Aber doch ist's wahr. Hast mir denn nicht gesagt, daß dir zwei Eichkatzerln fehlen?“
„Ja, die sind weg.“
„Schau, da hab ich nachdenkt, wohin sie sein mögen.“
„Und da spazierst auf den Bäumerln herum, um sie allerwärts wohl aufzusuchen?“
„So nicht. Du mußt mich nur ausreden lassen. Du hast die Tiere so lieb, und es hat mir so weh getan, daß dir zwei fehlen. Sie sind so zahm, daß sie sicher kommen wärn, wenn's könnt hätten. Es muß ihnen halt ein Unglück geschehen sein.“
„Meinst? Das sollte mich kränken!“
„Ja, das hab ich mir dacht. Und sodann könnt doch noch eins und noch eins verschwinden; darum hab ich gesucht, wohin s' kommen sind, und was hab ich funden? Errat's Paula!“
„Ich weiß nicht.“
„Einen Habicht hab ich fliegen sehn.“
„Herrgott! So hat der s' wohl gefressen?“
„Jawohl. Ich hab den Habicht beobachtet und sein Nest entdeckt. Er hat erst kurz zu bauen angfangt da droben auf dem Baum; aber da hab ich auch die Stückle von die Bälg gefunden von denen Eichkatzerln. Sodann hab ich ein Stückle Fleisch geholt aus der Mühl und ein Rattengift dazu und hab's dem Habicht hingelegt. Gestern nun hat seine Frau davon gefressen, und ich fand sie tot hier unten liegen. Und heut nun ist auch er dran gestorben. Er liegt oben im Nesterl. Ich bin hinaufklettert, um ihn herabzuholen; aber grad als ich droben ankommen war, kamst du hier unten an.
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