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67 - Der Weg zum Glück 02 - Die Dorftyrannen

67 - Der Weg zum Glück 02 - Die Dorftyrannen

Titel: 67 - Der Weg zum Glück 02 - Die Dorftyrannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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waren über die nicht sehr hohe Hofmauer gestiegen und kamen nun durch die Hintertüren in das Haus. Als Matthes die dicke Direktorin noch klagend und wimmernd auf der Treppenstufe sitzen sah, kam ihm dieser Anblick so komisch vor, daß er nicht an die einer Dame schuldigen Ehrerbietung dachte; er schlug vielmehr ein lautes Gelächter auf, in welches die anderen ebenso laut einstimmten, und rief: „Sappermentsky! Was sitzt denn da für eine weiße Schleiereulen?“
    Der Ausdruck Schleiereule war wegen des weißen Nachtgewandes, welches weit und leicht die dicke Gestalt der Direktorin umfloß, zwar nicht höflich, aber auch nicht ganz unzutreffend gewählt. Sie aber nahm die Worte natürlich dennoch übel.
    „Wie nennen Sie mich?“ fragte sie zornig. „Eine Schleiereule! Das will ich mir denn doch auf das strengste verbitten. Wer sind Sie denn eigentlich, daß Sie es wagen, sich solcher Ausdrücke zu bedienen?“
    Sie wollte sich in ihrem Zorn erheben, aber ihr Sitz, die unterste Treppenstufe, war zu einem schnellen Aufspringen für so eine korpulente Person viel zu schmal und zu niedrig; sie fuhr zwar ein wenig empor, setzte sich aber sofort wieder nieder, von ihrer Schwere abwärts gezogen, rutschte dabei von der Stufenkante und kam nun auf die harte Steinplatte zu sitzen. Das Regenwasser war unter der Tür in den Flur hereingedrungen, und so erhielt die Direktorin einen so nassen Sitz, daß ihr Nachtgewand sofort von dem Wasser durchdrungen wurde. Die Nässe und Kälte desselben hatte die augenblickliche Wirkung, daß die Dame wie eine Ertrinkende die Arme emporstreckte und laut zu rufen begann:
    „Hilfe! Hilfe! Ich sitze im Wasser! Soll ich ertrinken? Hebt mich auf; hebt mich auf!“
    Alle, welche sich in der Stube befanden, den Müller natürlich ausgenommen, kamen herbeigeeilt.
    „Was ist geschehen? Was ist los?“ rief der Fex.
    „Die Dicke da ersauft“, antwortete der Wirt.
    „So schlimm wird's halt doch nicht sein. Helft nur mit! Wir wollen sie aufheben und hinaufschaffen. Sie mag sich ins Bett legen.“
    Er griff zu.
    „Nein, nein!“ zeterte sie. „Ich bleibe unten!“
    „Wozu aber denn?“
    „Es brennt ja; es ist ja Feuer! Ich will nicht in demselben umkommen! Ich will hinaus!“
    „Ja, wo brennt es denn?“
    „Das weiß ich nicht. Ich habe aber ‚Feuer‘ rufen hören.“
    „Das war halt eine Dummheiten. Und du machst die Faxen noch viel größer. Du willst verbrennen und auch hier versaufen, und es ist doch gar kein einziger Gedanke daran. Es ist gar keine Gefahr vorhanden. Komm also her! Wir heben dich auf und schaffen dich hinauf in deine Stuben. Arbeit wird's freilich machen.“
    „Nein, nein; ich bleib unten!“ rief sie aus.
    „Na, meinswegen! Bleib sitzen in alle Ewigkeiten; ich hab gar nix dagegen, wannst hier im Haus schwimmen lernen willst.“
    Da aber flüsterte der Barbier, welcher so stand, daß sie ihn nicht sehen konnte, dem Skat-Mathes in das Ohr:
    „Ich werde sie gleich aufbringen.“
    Er ergriff einen riesigen Wasserfrosch, welcher soeben mit weiten Sätzen aus der Stube herausgesprungen kam, beim Hinterbein und warf ihn ihr in den Schoß.
    Kaum erblickte sie das Tier, so sprang sie, ohne die geringste Hilfe zu brauchen, auf und schrie:
    „O weh, o weh! Eine Kröte, eine Kröte! Ich muß hinauf; ich gehe; ich eile! Schiebt, schiebt, schiebt schnell!“
    Sie wendete sich nach der Treppe, ergriff das Gelände und pustete und stöhnte wie eine Lokomotive hinauf.
    „Ja, schiebt, schiebt!“ lachte der Matthes.
    Er und der Barbier faßten, nebeneinander stehend, hinten an; der Sepp griff zwischen ihnen hindurch, und so schoben die drei die heulende und schreiende Dame zur Treppe empor bis hinauf auf den Vorplatz, wo sie in höchster Eile in ihrer Stube verschwand.
    „Auch das noch!“ zankte der Müller unten. „Diese alte Muschel macht die Sach noch erst schlimmer als vorher. Sie muß fort, gleich in der Früh!“
    „Wenn ich den Wagen für sie hab“, sagte die Leni, welche sich in diesem Augenblick mit Paula allein bei ihm befand.
    „Nein; so lange wart ich nicht.“
    „Du mußt!“
    „Wer will mich zwingen?“
    „Ich!“
    „Oho!“
    „Ja; ich hab dein Wort, welches du mir gegeben hast.“
    „Das geht mich nix an. Ich brauch's nicht zu halten.“
    „So? Warum?“
    „Weil sie immer neue Dummheiten macht.“
    „Sie? Das ist nicht wahr.“
    „So? Hast's nicht etwa jetzt gesehen?“
    „Nein. Die Dummheiten hast du gemacht. Nicht mal Ruh des Nachts findet

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