7 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 2te Folge
hier lebte. Sim wagte nicht mehr nach ihnen zu fragen.
Schweigend nahm er seinen Platz unter den anderen jungen Leuten ein, die den Erwachsenen beim Gespräch zuhörten. Es war die Stunde der Erziehung, die Stunde der Diskussion. Obwohl er jede Verzögerung haßte, obwohl sein Leben unmerklich verströmte, blieb er doch. Er wußte, daß sein Verstand noch mehr Dinge aufnehmen mußte. Aber er war unruhig. Nur noch fünf Tage.
Chion saß ihm gegenüber. Um seine schmalen Lippen spiegelte ein arrogantes Lächeln.
Dann erschien Lyte. Während der letzten paar Stunden war sie größer und reizvoller geworden. Ihr Haar schimmerte dunkel. Als sie sich neben Sim setzte, lächelte sie. Chion blieb unbeachtet. Und Chion versteifte seine Haltung und hörte zu essen auf.
Ein Dialog entbrannte, erfüllte den Raum. Schnell wie der Pulsschlag, eintausend, zweitausend Worte in der Minute. Sim lernte. Er schloß die Augen und verfiel in eine Art wohltuenden Schlummer. Um ihn webten die Worte ein Wissensschema, das von selbst in ihn eindrang.
Er träumte von grünen Wiesen, in denen es nur Gras, keine Steine gab. Sie wogten einer Dämmerung entgegen, die weder gnadenlose Kälte brachte noch nach glühenden Felsen roch. Er ging über die grüne Weite. Über ihm flogen Metallkapseln in einen Himmel, der gleichmäßige, erträgliche Temperaturen ausstrahlte. Alles war langsam, langsam.
Vögel ruhten auf Bäumen aus, die hundert, zweihundert, fünftausend Tage brauchten, bis sie erwachsen waren. Alles blieb an seinem Platz, die Vögel schossen nicht bei Tagesanbruch nervös in das Licht hinaus, und die Bäume zuckten nicht verdorrt zurück, wenn sie ein Sonnenstrahl streifte.
In seinem Traum kamen Menschen vorbei. Sie gingen langsam, ihr Pulsschlag war ruhig und gleichmäßig und flatterte nicht in dem gewohnten rasenden Tempo. Das Gras blieb. Es verbrannte nicht. Die Traummenschen sprachen immer vom Morgen und vom Leben, nie vom Sterben. Alles war Sim so vertraut, daß er gar nicht aufsah, als jemand seine Hand nahm. Er dachte, es sei ein Teil seines Traums.
Lytes Hand lag in seiner. »Träumst du?« fragte sie.
»Ja.«
»Es gibt doch eine Gerechtigkeit. Unser Verstand läßt uns die schönen Dinge sehen, damit wir die Plage des Alltags vergessen.«
Er schlug mit der Hand gegen den Steinboden. »Nein, es ist nicht gerecht. Ich hasse das alles! Es erinnert mich daran, daß es schönere Dinge gibt, daß ich etwas versäume. Warum können wir nicht dumm sein? Warum können wir nicht leben und sterben, ohne zu erfahren, daß dies hier ein abnormaler Zustand ist?« Und sein Atem kam pfeifend und stoßweise aus dem halbgeöffneten Mund.
»Es hat alles seinen Sinn«, sagte Lyte. »Es gibt uns einen Lebenszweck, läßt uns für ein Ziel arbeiten.«
Seine Augen waren heiße Smaragde. »Ich bin langsam einen Grashügel hinaufgestiegen«, sagte er.
»Den gleichen, den ich vor einer Stunde entlangging?«
»Vielleicht. Der Traum war schöner als die Wirklichkeit.« Er verengte die Augen zu einem Spalt. »Ich sah Menschen, die nicht aßen.«
»Und nicht redeten?«
»Und nicht redeten. Und wir essen immer und reden unaufhörlich. Manchmal lagen die Traummenschen ausgestreckt da und regten keinen Muskel.«
Als Lyte ihn ansah, geschah etwas Schreckliches. Er sah ihr Gesicht, dunkel und runzlig. Die Strähnen über den Ohren waren gebleicht wie Schnee, und die Augen hatten den Silberglanz verloren. Die Lippen waren schmal und verkniffen, und die feinen Finger krümmten sich wie abgestorbene Äste an einem Strauch. Selbst während er sie ansah, verging ihre Schönheit. Er stieß einen Schrei aus.
»Sim, was ist los?«
Sein Mund war wie ausgetrocknet. »Noch fünf Tage …«
»Die Wissenschaftler.«
Sim horchte auf. Wer hatte gesprochen? Ein großer Mann stand in dem trüben Licht und redete. »Die Wissenschaftler haben uns auf diese Welt geschleudert und verschwenden auch jetzt noch Tausende von Leben. Es hat keinen Sinn, es hat keinen Sinn. Ihr müßt sie tolerieren, doch gebt ihnen nichts von eurem kostbaren Leben. Denkt daran, ihr lebt nur acht Tage.«
Wo waren diese verhaßten Wissenschaftler? Jetzt nach der Stunde der Erziehung, war er bereit, sie zu finden. Jetzt wußte er genug, um den Kampf für die Freiheit zu beginnen, den Kampf für das Schiff.
»Sim, wohin gehst du?«
Aber Sim war fort.
Es schien, daß er die Hälfte der Nacht vergeudet hatte. Er stolperte in ein Dutzend Sackgassen. Viele Male wurde er von den
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