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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schreiten?“
    „Berechtigt aber nicht verpflichtet.“
    „So bin ich über diesen Punkt beruhigt. Der Baron war mein Vater. Seine Taten schreien zum Himmel, aber ich, die ich seine Tochter gewesen bin, habe zwar diese Taten möglichst zu sühnen, nicht aber zu richten. Ich möchte nicht, daß er dem Strafrichter in die Hände fällt. Die Verjährung ist zwar eingetreten, aber man würde sich doch unbedingt seiner Person versichern müssen, um vergangene Irrtümer richtigzustellen. Alle Zeitungen werden voll des Namens Alberg sein. Der Baron wird verachtet und vogelfrei sein wie kein anderer. Ich will nicht haben, daß dieses Unglück ihn persönlich überfällt. Ich will ihm Zeit und Raum geben, dem allen zu entfliehen. Aber ich stelle meine Bedingung, von welcher ich mir kein Jota abhandeln lasse.“
    Der Jurist verbeugte sich, zum Zeichen, daß er einverstanden sei, und sie fuhr fort:
    „Sie haben die Güte, in einem Protokoll ein ausführliches Geständnis des Barons niederzulegen, so daß die Mitschuld der Mitschuldigen und die Unschuld der Unschuldigen völlig erwiesen ist. Dieses Geständnis muß vor allen Dingen beweisen, daß Herr von Sandau unschuldig war und daß dessen Frau, nicht aber meine Mutter, im wirklichen Testament als Universalerbin vorgesehen worden war. Der Baron unterzeichnet dieses Protokoll und fügt dazu die eigenhändige Bemerkung, daß jedes Wort die reine Wahrheit enthält. Wir anderen unterschreiben als Zeugen. Will der Baron das tun, so zahle ich ihm fünftausend Gulden, mit deren Hilfe er in Amerika verschwinden kann. Tut er es aber nicht, so überliefere ich ihn augenblicklich der Polizei. Er hat dann keine Hoffnung, fernerhin auch nur einen Pfennig von mir zu erhalten. Ich habe kein Wort hinzuzufügen. Das übrige überlasse ich Ihnen, bemerke aber, daß der Baron sich binnen fünf Minuten entschieden haben muß.“
    Es trat eine längere Stille ein. Keins sprach ein Wort. Jedes hatte mit den eigenen Gedanken und Gefühlen zu tun.
    Da stand die Tochter, die soeben ihren Vater zur ewigen Verbannung verurteilt hatte. Dort die Bürgermeisterin, die Augen traurig auf den Mann gerichtet, der sie um ihr Jugendglück betrogen hatte.
    Der Sepp lehnte an der Tür. Er hätte am liebsten weinen mögen, denn mit seinem scharfen Blick erkannte er, daß es Mildas ganzer Kraft bedurfte, um kalt und ruhig zu erscheinen und nicht in bitterem Schmerz zusammenzubrechen.
    Der Advokat unterbrach zuerst das Schweigen:
    „Herr Baron, es sind bereits zwei Minuten vergangen. Bitte, mir zu sagen, was Sie wählen – jahrelange Untersuchungshaft oder Freiheit – immerwährende Armut oder fünftausend Gulden?“
    Der Gefragte brachte mit vor Aufregung heiserer Stimme hervor:
    „Ich muß wenigstens einen Tag Bedenkzeit haben!“
    „Kann ich nicht gewähren. Sie haben meine Instruierung mit angehört. Fünf Minuten, mehr nicht.“
    „Nun dann zum Teufel! Hungern mag ich nicht und betteln auch nicht. Ich nehme also die Fünftausend.“
    „Sie werden alles unterschreiben?“
    „Ja. Aber wann bekomme ich das Geld? Doch sofort?“
    Seine Tochter, welche sich von ihm abgewendet hatte, antwortete:
    „Ich weiß, daß der Baron stets im Besitz eines Auslandspasses ist. Er kann also sofort abreisen. Ich gebe ihm eine Anweisung auf fünftausend Gulden mit, auf keinen anderen übertragbar, und zahlbar bei Wilson u. Light in New York.“
    Da stieß der Baron ein höhnisches Lachen aus und sagte:
    „Welch eine Vorsicht! Ich soll ja nicht dableiben können! Nun, ich werde mich beeilen, in den Besitz des Geldes zu kommen und also noch heute abreisen. Setzt nur das Protokoll auf, damit die Faxe zu Ende kommt! Bin ich dann drüben Millionär geworden, so werde ich mit Vergnügen an meine liebe Tochter denken, welche ihres albernen Gewissens halber ihr Vermögen verschenkt und ihren Vater in die Verbannung schickt. Macht schnell! Ich habe es eilig, von solchen Menschen fortzukommen!“

SECHSTES KAPITEL
    Der Samiel
    Das Betglöcklein der Bergkapelle wurde gezogen, zum Zeichen, daß in einer Viertelstunde der Gottesdienst beginnen solle. Der helle, silberne Ton klang jenseits tief ins Tal hinab und diesseits in das Dörfchen hinein, welches vielleicht gerade dieser Kapelle wegen vor alten Zeiten den Namen Kapellendorf erhalten hatte.
    Das Dorf war Filiale. Sonntags des Nachmittags kam der Pfarrer von Eichenfeld oder, wenn dieser nicht Zeit hatte, derjenige von Oberdorf aushilfsweise durch den dichten, dunklen Wald

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