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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und das bare Geld. Wollen mal zählen.“
    Er öffnete den Rucksack und nahm eine alte Holzschachtel aus demselben. Als er sie öffnete, sahen die anderen, daß sie voller lauter hochwertiger Banknoten war.
    „Sepp!“ rief der Graf. „Das ist alles dein, alles?“
    „Ja“, nickte der Alte einfach. „So ein kleines wengerl kann man schon mit sich herumtragen. Das andere hab ich freilich besser aufhoben.“
    Und nun nahm er einen Schein nach dem andern heraus und zählte fünftausend Mark auf den Tisch.
    Die Bäuerin nahm sich keine Zeit, sich über den ungeahnten Reichtum des Sepp zu wundern. Sie entfernte sich und kehrte in kurzer Zeit mit der gleichen Summe zurück, welche sie auf den Tisch zählte.
    „So, Zehntausend!“ sagte der Graf. „Aber wer bekommt das Geld zur Aufbewahrung? Ein Unparteiischer natürlich.“
    „Das ist eben nur dera Sepp“, sagte die Bäuerin. „Sind 'S einverstanden damit, Herr Graf?“
    „Ja.“
    „Hab's mir denkt!“ sagte Sepp und legte die Zehntausend in seine Schachtel, die er dann wieder in den Rucksack steckte.
    „Nimm's in acht!“ warnte der Graf. „So eine Summe darf nicht verlorengehen. Du müßtest sie ersetzen.“
    „Haben 'S nur keine Bangigkeiten! Mir nimmt niemand einen Pfennig, selbst dera Samiel nicht.“
    „Oho!“ lachte die Bäuerin.
    „Selbst der nicht“, meinte der Alte. „Der soll sich hüten, mit dem Wurzelseppen anzubinden! Wann er mir's abnehmen will, mag er nur kommen.“
    „Komm mit herauf zu mir“, sagte der Graf. „Ich will dir den Schuldschein ausfertigen.“
    „Lassen 'S mich in Ruh von wegen dem Schein! Ich mag keinen!“
    „Aber Sicherheit mußt du doch haben!“
    „Ich brauch keine!“
    „Und meine Ehre erfordert, daß ich dir welche gebe. Was tu ich nur? Ach, da habe ich es. Das wird genügen.“
    Er zog einen Ring von seinem Finger.
    „Hier, nimm diesen Ring. Er ist ein altes kostbares Familienerbstück. Ein Brillant mit Smaragden und Saphiren. Jeder Juwelier gibt dir sofort zehntausend Mark dafür.“
    Der Sepp blickte in diesem Augenblick nicht auf den Ring sondern auf die Kronenbäuerin. Sie erbleichte und ihre Augen funkelten gierig auf. Aber sofort nahm sie eine gleichgültige Miene an.
    Der Sepp sagte kopfschüttelnd:
    „Ich mag auch den Ring nicht. Wenn Sie ausgehen, so lassen 'S ihn daheim, sonst wird er Ihnen von dem Samiel geraubt.“
    „Wie kannst du das wissen?“
    „Denken kann ich's mir.“
    „So willst du ihn also wirklich nicht?“
    „Nein.“
    „Hartkopf!“ meinte der Graf, indem er den Ring wieder ansteckte.
    „Ich tät ihn nicht anstecken in dieser Woch“, meinte der Alte. „Es ist gar so sehr gefährlich.“
    „So denkst auch du, daß ich die Wette verliere?“
    „Kann sein.“
    „Und ich bin so überzeugt, daß ich sie gewinne, daß ich mir noch eine Flasche Wein kommen lasse, um sie mit dir auszustehen, alter Sepp. Dann schlafe ich ein wenig. Um neun Uhr muß ich bereits wieder fort.“
    Er pfiff seinem Burschen, welcher im Stall beschäftigt war, das Pferd zu putzen. Dieser mußte den Wein holen.
    Die Bäuerin entfernte sich. Sie ging nach dem Hof und dann in den Pferdestall. Auf der Streu lag eine menschliche Gestalt, in eine alte Decke gewickelt.
    „Bastian!“ sagte sie leise.
    Obgleich sie den Namen nur ganz leise ausgesprochen hatte, schnellte sich der Bursche von der Streu auf und stand augenblicklich neben ihr.
    „Schnell hinauf!“
    Der Knecht verschwand aus dem Stall. Sie ging auch hinaus, langsam, mit der Miene einer Bauersfrau, welche nachsieht, ob sich alles in Ordnung befindet. So schlenderte sie über den Hof hinüber, trat in das Haus und stieg die Treppe hinauf. Vor ihrer Tür stand bereits der Knecht.
    „Bist sehen worden?“ fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf.
    Sie öffnete und verschloß die Tür dann wieder, als sie eingetreten waren.
    „Was macht der Offiziersbursche jetzt?“ fragte sie.
    „Er wurde rufen.“
    „Vorher?“
    „Striegelt er den Gaul.“
    „Wie lange wird er noch zubringen?“
    „Eine halbe Stunden.“
    Der Knecht gab so richtige und deutliche Antworten und stand doch mit der vollständigen Miene und Haltung eines Blödsinnigen vor ihr.
    Er war selten zu einer Antwort zu bringen, und wenn er sie gab, so war sie unverständlich, daß man das meiste erraten mußte. Er galt für ganz und gar geistesschwach, besaß aber wahrhaft riesige Körperkräfte.
    Seine hervorragendste Eigenschaft war Häßlichkeit. Selbst wenn er im Besitz seiner

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