71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil
werden.“
„Kätherl!“ rief der Bauer aus.
„Ja, gewiß! Ich tät ihm ebenso das Pulver in die Augen schießen, wie er es bei dir macht hat.“
„Um Gottes willen. Das darf und kann ich nicht hören!“
„Oh, er müßt grad das ausstehen, was du ausstanden hast und – ich dazu.“
Er seufzte, schwieg aber.
„Was holst Atem?“ fragte sie. „Meinst wohl, daß ich's immer nur so gut habt hab grad wie im Himmel?“
„Besser hast's habt als ich.“
„Ja, ein wengerl. Daß ich das Augenlicht hab; das ist alles. Du hast's mit deiner Blindheit auch fast gut.“
„Na, ich dank gar schön! Da soll die Blindheiten auf einmal gut sein.“
„Nun, ist's nicht wahr?“
„Nein.“
„Brauchst nicht zu arbeiten.“
„Soll das ein Glück sein? Oh, wann ich arbeiten könnt wie vorher, ich wollt dem Herrgott stündlich dafür auf denen Knien danken.“
„Für wen wolltst dich schinden?“
„Das kannst dir denken!“
„Ja, für deinigen, nicht aber für die Frau!“
„Auch für die Frau, denn sie ist doch die Mutter.“
„Es wäre damals vielleicht besser gewest, ich hätt den Buben nicht in das Eisenbahncoupé tan.“
„Was denn?“
„Besser wär's, wann er tot gewest wär.“
„Kätherl! Herrgott! Willst gar eine Mörderin sein!“
„Das hab ich nicht sagt. Ich hab nur meint, daß er ein kränklicher Bub war, der gar leicht sterben könnt.“
„Dann hätten wir jetzunder keinen.“
„Nun, ich weiß nicht, ob es ein Glück ist, daßt ihn hast. Für mich ist's keins.“
„Das merk ich wohl.“
„Es gibt gar vielen Ärger dabei. Besonders, wannst so Hand in Hand mit ihm dasitzest und ihm die Händen streichelst. Was soll er davon denken! Es wäre besser west, wannst ihn in Chrudim lassen hättest beim Wagenschieber, wo sie ihn erzogen haben. Was tun wir mit ihm?“
„Was wir müssen!“
„Das ist unmöglich.“
„Oh, doch nicht!“
„Doch! Unser Kind kann und darf er niemals sein. Um beweisen zu können, daß er es ist, müßten wir verzählen, daß wir ihn nach Böhmen schafft haben um ihn los zu werden. Nachher hast's bereut und ihn als Knecht wieder heimholt.“
„Reden wir lieber nicht darüber.“
„Ja, hast recht. Es ist ein jeder Knoten zu öffnen, warum nicht auch dieser! Wir wollen uns nur gedulden und die richtige Zeit derwarten.“
Unter dieser richtigen Zeit verstand sie den Todestag ihres Mannes, welcher jetzt vor ihr saß, herzlich befriedigt davon, daß seine Frau endlich einmal mit ihm sprach. Sie hatte, ohne es zu ahnen, sich selbst das Urteil gefällt, als sie sagte, daß sie den Samiel blind schießen werde. –
Der Sepp war, wie bereits erwähnt, mit Fritz in das Wirtshaus gegangen. Er hatte es dem Alten zu Gefallen getan, um ihm eine Freude zu machen.
Als sie dort anlangten, sahen sie, daß der Rollwagen des Baumeisters noch dastand.
„So ist er wahrhaftig hier einkehrt“, sagte der Sepp. „Nun möcht ich wissen, ob er es denen Leutln sagt hat, daß die Bäuerin die Unschuldige ist.“
„Das werden wir sehr bald derfahren. Horch, da hör ich schon seine Stimm. Er hält bereits wiederum eine Red'.“
Er klinkte die Türe auf und blickte durch die Lücke hinein. Die Stube war ziemlich gefüllt, weil es Sonntag war. An dem großen, runden Tische saßen die Wohlhabendsten des Dorfes, bei ihnen der Baumeister. Er schien bereits einen kleinen Rausch zu haben und befand sich mitten in einer Erzählung.
„Schön ist sie, das muß man zugeben, schön wie eine griechische Göttin“, sagte er.
Er kam nicht weiter. Fritz hatte genug gehört. Er öffnete die Tür weit, war mit einigen raschen Schritten bei dem Verleumder und gab demselben eine Ohrfeige, daß er vom Stuhl flog.
„Ah, dera Fritz und dera Wurzelsepp“, rief es allüberall. „Willkommen Fritz! Willkommen Sepp! Läßt dich auch mal sehen!“
„Still!“ rief der Knecht. „Ihr könnt den Sepp nachher auch begrüßen. Erst muß – sakra, wo ist denn dieser Herr Baumeistern hin? Hinaus kann er doch noch nicht sein.“
„Da neben dem Kanapee hat er sich hinter die Seitenlehne niedersteckt“, lachte einer, indem er nach dem Kanapee zeigte.
Fritz ging hin. Da kauerte der Baumeister zitternd vor Angst.
„Komm mal vor, du Lodrian!“ sagte der Knecht, indem er ihn nach dem runden Tisch zerrte. „Was hast hier verzählt?“
„Was soll ich erzählt haben“, sagte er. „Wir haben von der Politik gesprochen.“
„Das ist eine Lüge“, fiel ein Gast ein. „Er hat nur immer
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