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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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von der Kronenbäuerin erzählt.“
    „Was?“
    „Daß er vorhin wieder auf dem Hof gewesen ist.“
    „Das ist wahr.“
    „Daß er da mit ihr nach ihrer Schlafstube ist.“
    „Auch das kann wahr sein, denn sie hat ihn im ganzen Gebäud herumführen mußt.“
    „Und daß – daß – na, das andere kannst dazu denken. Wann's wahr ist, was er sagt, so ist die Bäurin ein Weib, welches man anspucken muß.“
    „Ob's wahr ist, das sollt ihr gleich hören und sehen. Gebt mal einen Stuhl herbei.“
    Der Stuhl wurde gebracht. Der Baumeister hatte seine Peitsche mit herein in die Schenkstube gebracht und da an die Wand gehängt. Fritz sah sie und nahm sie herunter. Dann sagte er zu dem wie ein Verbrecher sein Urteil erwartenden Menschen:
    „Steig aufi auf den Stuhl!“
    Der Aufgeforderte zögerte, zu gehorchen.
    „Steig aufi, sag ich dir, sonst helf ich mit dera Peitschen nach!“
    Jetzt stieg er auf den Stuhl. Es herrschte tiefe Stille in der Stube.
    „Jetzunder antwortest mir auf jede Frage der Wahrheit gemäß! Wannst keine Antwort gibst oder eine falsche, bekommst die Peitsche!“
    „Laß mich doch lieber herunter! Laß mich fort!“ bat der Geängstigte.
    „Ja, fort kannst, aber erst dann, wannst beichtet hast.“
    Und sich zu dem Publikum wendend, erklärte er:
    „Nämlich alles, was er sagt, ist Lüg. Er hat erst vorhin bei uns um Verzeihung bitten mußt. Er hat uns auch versprechen mußt, hier die Wahrheit zu verzählen, damit die Bäuerin gerechtfertigt sei. Statt dessen macht er sie hier abermals schlecht. Da helfen weder gute Worte noch Ohrfeigen. Da hilft's nur, daß er an den Pranger stellt wird, damit eine jede Frau derfährt, daß sie sich vor ihm zu hüten hat. Also, Baumeister, antwort! Hast vorhin bei uns abbeten mußt?“
    Er antwortete nicht, erhielt aber sofort einen Hieb, daß er mit beiden Beinen in die Luft sprang und rief:
    „Au! Verflucht! Ja ich habe abgebeten.“
    „Hast zugestanden, daß es Lügen sind?“
    „Ja.“
    „Bist in ihrer Kammer gewest des Nachts?“
    „Ja.“
    „War ein Frauenzimmer drin?“
    „Ja.“
    „Wer war es?“
    „Die – die – die –“
    „Na, heraus damit! Sonst kommt die Peitsch!“
    „Die – die Christel.“
    Ein allgemeines, unbeschreibliches Hallo brach los. Als dann Fritz das übrige erklärt hatte, wurde der Baumeister hinausgeworfen und erhielt den Rat, sich niemals wieder sehen zu lassen.
    Nun trat wieder Ruhe ein. Der alte Sepp, welcher allen willkommen war, mußte erzählen. So verging die Zeit, und es war nahe zur Dämmerung, als die beiden heimkehrten.
    Aber sie gingen nicht direkt nach Hause. Als sie die Stelle erreichten, wo der Steig empor nach der Kapelle wendet, lenkte der Sepp nach demselben ein.
    „Wo willst hin?“ fragte Fritz.
    „Nicht weit fort. Nur bis ans Gebüsch, um uns dort niederzusetzen.“
    „Warum das?“
    „Weil ich gern ein wengerl mit dir plaudern möcht.“
    „Können wir das nicht auch daheim?“
    „Nicht so gut wie hier. Hier werden wir nicht gestört und auch nicht belauscht.“
    Der Knecht wußte, daß der Sepp niemals etwas ohne Absicht tat; darum folgte er ihm, ziemlich gespannt auf das, was er jetzt hören werde.
    Sie setzten sich da, wo sie den Kronenhof vor den Augen hatten, auf einen Grummetschober nieder. Dann sagte der Sepp:
    „Fritz, ich kenne dich nun bereits seit einer langen Zeit, viel länger als denkst. Als ich dich zum ersten Mal schaut, da warst ein Huschibuschi mit dem Zulpen im Maul. Von da an hab ich dich nie wieder aus den Augen lassen.“
    „Wie ist das möglich? Du mußt dich irren!“
    „Nein.“
    „Wie kannst mich kannt haben, als ich so klein war? Ich bin doch als großer Bub nach Kapellendorf kommen.“
    „Vorher hab ich dich sehen.“
    „Wo?“
    „In Chrudim.“
    „Da hatt’st mich auch bereits sehen?“
    „Oh, sogar noch früher.“
    „Wast sagst!“
    „Bei deinem Vater und deiner Mutter.“
    Der Knecht sprang aus dem Grummet auf.
    „Sepp, meine Eltern kennst?“ rief er.
    „Schrei nicht so!“ warnte der Sepp. „Wir brauchen keinen Lauscher. Setz dich niedern und bleib ruhig!“
    „Da soll man ruhig bleiben!“
    „Ich bin doch auch ruhig!“
    „Ja, du.“
    „Oho! Ich, ich könnt nun auch bald mal aus dera Haut fahren. Ich hab in letzter Zeit nix anderes zu tun habt, als Eltern ihre Kinder und Kindern ihre Eltern oder Geschwistern ihre Geschwister zurückzubringen. Das halt dera Teuxel aus. Der allerletzt, zu dem ich komme, der bist halt

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