71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil
oder Muttern ein Kind nur aus Versehen liegen.“
„Das ist wahr. Ich werd es dir verzählen. Weißt, ich war sehr oft bei den deinigen Eltern. Ich war ihnen stets willkommen, denn sobald ich kam, war dera Frieden im Haus.“
„Sonst nicht?“
„Nein. Deine Eltern lebten sehr bös mitnander, mehr als wie Hund und Katz. Sie waren gezwungen west, sich zu heiraten, obgleich sie sich haßten. Dein Vatern war ein braver Mann, aber er wollt gern eine schöne Frauen haben. Deine Muttern war eine Sibylle und Xanthippe, die schmutziger als die niedrigste Magd im Haus herumlief und sich keine Mühe gab, ihrem Mann zu Gefallen zu sein. Ist's ein Wunder, daß sie ihm jetzunder nun ganz und gar zum Ekel ward?“
„Nein, gewiß nicht.“
„So wirst ihn auch nachher milder beurteilen. Du warst ihr einziges Kind, und ich hab dich auch damals schon auf meinen Armen habt. Du warst und bist nach dem Vatern geraten. Von dera Muttern aber hast nix an dir. Um dieselbige Zeit kam eine Verwandte ins Haus, ein gar junges Ding, aber eitel, bildsauber, gefallsüchtig, ohne Gewissen und blutarm. So jung sie war, hat sie doch schon rechnen könnt und es auf einen reichen Mann abgesehen habt. Ich hab sie dort kannt und beobachtet, und sie hat mir niemals gefallen. Darauf bin ich lange Zeit nicht hinkommen; aber bald, als ich zum letzten Mal da gewest war, lief ich drüben im Böhmen herum und kam auch nach Pardubitz. Wen fand ich da im Bahnhof? Die Verwandte.“
„Sie kannte dich?“
„Natürlich. Ich bin sogleich zu ihr gangen. Sie hatte ein Kind bei sich, aber fest verwickelt, so daß man das Gesichten nicht sehen könnt.“
„Ich errate es. Das bin ich gewest.“
„Ja, du warst es. Ich hab nur ein paar Worte mit ihr sprochen und bin dann gangen. Zufälligerweise hat's mir sagt, daß sie nach Chrudim fahren will.“
„Hast sie denn nicht fragt, was für ein Kind sie hat?“
„Ja. Das ihrige konnt's freilich nicht sein. Sie hat sagt, daß es einer Base gehört, der sie es bringen muß. Nachher, nach einer abermaligen Zeit, komm ich zu den deinigen Eltern und hör, daßt raubt worden seist.“
„Raubt und von wem?“
„Von Zigeunern.“
„Grad wie dem Kronenbauern sein Sohn!“
„Ja, fast grad so. Es waren Zigeunern da gewest, und als sie fort waren, warst auch du fort. In einigen Dörfern, wo Nachfrag halten wurde, hatten manche Leutln dich sehen. Das ist aber nicht wahr gewest.“
„Du meinst, daß die Verwandte mich heimlich fortschafft hat?“
„Ja.“
„Das hast dir gleich damals denkt?“
„O nein. Wie hätt ich das denken könnt? Ich hab nicht wußt, daßt verschwunden warst grad zu derjenigen Zeit, an welcher ich sie mit dem Kind troffen hatte. Auch konnt ich ihr eine solche Schlechtigkeit gar nicht zutrauen.“
„Was haben meine Eltern sagt?“
„Die kränkten sich gar sehr. Deine Muttern, die immer kränklich war, hat's sich so zu Herzen nommen, daß sie nachher storben ist.“
„Und der Vatern?“
„Der hat viel und lange nach dir suchen lassen und sich nachher die zweite Frau nommen.“
„Wohl die Verwandte?“
„Ja.“
„Beinahe grad wie bei meinem Kronenbauern, nur daß diese zweite Frauen die Mündel gewest ist.“
„So ist's!“ nickte der Sepp.
„Haben's denn glücklich lebt?“
„Erst ja, dann aber bald nicht mehr. Da bin ich wieder mal im Böhmen gewest und nach Chrudim kommen. Ich hab ein Bier trunken mit einem, der an dera Bahn anstellt war. Bei dem war sein kleiner Bub. Dieser ist mir auffallen, denn er hat grad so eine Narben an dera Stirn habt wie du.“
„Hatt ich eine?“
„Ja. Du warst mal von einer unvorsichtigen Magd tragen worden und hatt'st dich an einen Nagel stoßen. Das gab eine tiefe Wunde, die nur schwer vernarben wollt. Also dieser kleine Bub hatte auch so eine Narbe an ganz derselbigen Stelle, nur war's fast ganz verheilt. Ich fragt den Mann, wie der Bub dazu kommen sei, aber er hat's nicht wußt, weil dera Bub ein Findelkind sei, und er war nur dera Pflegevatern.“
„Ach, so war ich dera Bub?“
„Ja.“
„Aber ich kann mich nicht besinnen, daß ich dich in Chrudim sehen hab.“
„Das war nur eine Viertelstunden lang, und du warst noch sehr klein. Dera Pflegevatern hat mir verzählt, wie du im Bahnwagen funden worden bist. Das Bettchen ist noch da gewest, und als ich es mir ansehen hab, da hab ich sogleich schaut, daß es ganz dasselbige sei, was damals die junge Verwandte in denen Armen trug.“
„Das ist ein großer Zufall!“
„Ja.
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