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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und hielt ihn in der rechten Hand. Dann nahm sie das Kissen wieder von dem Gesicht des Grafen, so daß er sie sehen konnte. Sie beugte sich über ihn und sagte mit unter der Maske dumpf hervorklingender Stimme:
    „Kennst mich, Graf?“
    Er konnte nicht antworten, wie sich ja ganz von selbst verstand.
    „Hast wohl nicht denkt, daßt mich heut abend nochmal sehen wirst.“
    Über sein Gesicht ging ein krampfhaftes Zucken. Er schien sich Mühe zu geben, den Knebel aus dem Mund zu stoßen. Die Kraft der Zunge aber reichte dazu nicht aus.
    „Weißt was Graf“, fuhr sie fort, „damit'st mir antworten kannst, werd ich dir den Knebel entfernen. Aber das sag ich dir: Wannst einen Laut von dir gibst oder gar um Hilfe rufst, so stoß ich dir gleich dieses Jagdmessern in das Herz. Daraufi kannst dich nur verlassen. Also sag, willst nur ganz leise sprechen?“
    Er nickte. Es war ihm natürlich nur darum zu tun, den Knebel, welcher ihn fast erstickte, loszuwerden.
    „Gut! Aber kein lautes Wort! Das befehl ich dir!“
    Sie machte ihm das Hemd vorn auf und setzte ihm mit der Rechten die Spitze des Nickfängers auf die nackte Brust. Sodann zog sie ihm mit der Linken das Taschentuch aus dem Mund.
    Er holte tief, tief Atem. Sein von der Atemnot dunkelrot gefärbtes Gesicht nahm wieder eine natürliche Farbe an. Er sagte sich im stillen, daß Widerstand ganz vergeblich sei. Dem Samiel jetzt nicht zu gehorchen, das hätte sich nur ein Wahnsinniger unterfangen; es bedurfte ja nur eines kleinen Stoßes mit dem Messer, um den Wehrlosen zum toten Mann zu machen.
    Aber wenn er sich auch äußerlich in sein Schicksal ergeben mußte, so bäumte sich doch innerlich sein reges Ehrgefühl, sein ganzer Offiziersstolz gegen seine jetzige Machtlosigkeit auf. Doch behielt er genug Besinnung, sich zu sagen, daß Klugheit jetzt das allerbeste sei. Der Samiel wollte mit ihm sprechen. Vielleicht war, wenn man es schlau anfing, es möglich, aus dem Gespräch gewisse Anhaltspunkte darüber zu erlangen, wer und was der Samiel eigentlich sei, wo er wohne, und so weiter. Darum beschloß der Oberleutnant, nicht den geringsten Widerstand zu leisten, sondern in ganz massiver Weise auf seinen Vorteil bedacht zu sein.
    Eins freilich machte ihm Bedenken. Was wollte der Samiel hier bei ihm. Ausgeraubt hatte er ihn schon. In dieser Beziehung war also nichts zu holen. Wollte er ihn etwa töten aus Rache dafür, daß es die Aufgabe des Grafen war, den Räuber zu fangen? Das mußte nun freilich in möglichster Kaltblütigkeit abgewartet werden.
    Der Samiel hatte durch die beiden in die schwarze Maske geschnittenen Augenlöcher den Grafen scharf fixiert. Er hielt das Messer zum Stoß bereit und sagte:
    „Jetzunder werd ich ein Verhören mit dir anstellen. Wirst mir alle meine Fragen richtig beantworten?“
    „Ja“, antwortete der Gefragte leise, „ja, nämlich wenn ich kann.“
    „Du wirst können. Aber mach mir ja keine Dummheiten, denn sonst bin ich ein strenger Richter über dich!“
    Es kam eine Art von Galgenhumor über den Grafen, infolgedessen er zur Antwort gab:
    „Ich bitte, es gnädig mit mir zu machen, hoher Herr Gerichtshof!“
    „Schweig! Späßen darfst nicht mit mir treiben. Das kann ich nicht vertragen. Warum bist eigentlich kommen, um mich zu fangen?“
    „Weil ich muß!“
    „Kannst dich doch dagegen wehren!“
    „Beim Militär gibt's keine Gegenwehr den Vorgesetzten gegenüber.“
    „So! Also hast wirklich nicht anders könnt?“
    „Nein.“
    „Nu, wann das ist, will ich's dir nicht nachtragen.“
    Dem Grafen gab das trotz seiner Lage gewissen Spaß. Er wußte jetzt nur so viel, daß der Samiel kein Verständnis für militärische Verhältnisse hatte. Das war doch wenigstens schon etwas. Vielleicht ließ sich bei sorgfältiger Verlängerung des Gespräches auch noch Wichtigeres erfahren.
    Vor allen Dingen war der Graf bemüht, an dem Äußeren des Samiels irgend etwas Auffälliges, irgendein Merkmal zu entdecken, woran man ihn vielleicht dann erkennen konnte.
    Er betrachtete ihn also mit scharfen, forschenden Blicken, doch vergeblich.
    Infolge der Larve klang die Stimme dumpf und tief. An die Larve schloß sich ein Fortsatz von Tuch an, welcher auch den ganzen Hinterkopf bedeckte; darum und weil der Samiel auch den breitkrempigen Hut tief in das Gesicht gezogen hatte, war nicht einmal die Farbe des Haares zu erkennen. Auch vom Hals war nichts zu sehen. Es war ein schwarzes Tuch um denselben geschlungen.
    Die Gestalt des Räubers war

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