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72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fort!“
    Sie verließ jetzt die Stube. Leni sagte sich im stillen:
    „Jetzt ist es eingefädelt. Wenn sie sich nun nicht aussprechen, so werden sie im ganzen Leben kein Paar.“
    Marga suchte ihr Zimmer auf, schrieb einige Zeilen auf ein Papier, welches sie auf den Tisch legte, nahm den Mantel um, setzte den Hut auf und ging hinab zu Tobias, um ihn zu bitten, sie überzufahren. Er war sofort bereit dazu, und sie ging mit ihm nach dem Ufer. –
    Anton war von allem, was Leni ihm gesagt und vorgeworfen hatte, zu aufgeregt, als daß er hätte ruhig sein sollen. Er wanderte am See hin bis weit abwärts und kehrte dann um, in der Absicht, heut abend Marga noch aufzusuchen. Als er an die Stelle kam, wo das Boot angekettet zu liegen pflegte, hörte er nahende Ruderschläge. Er blieb stehen. Wer kam da?
    Er bemerkte, daß das zum Hause gehörige Boot fehlte und erkannte in dem Nahenden den Pächter Tobias.
    „Du fährst am Abend noch spazieren?“ fragte er ihn.
    „Weit gefehlt.“
    „Also Geschäft?“
    „Auch nicht.“
    „Was denn?“
    „Überfahrt.“
    „Wen?“
    „Marga.“
    „Wohin?“
    „Feldafing.“
    „Weshalb?“
    „Weiß nicht.“
    „Ist sie denn nicht mit zurückgekehrt?“
    „Nein.“
    „Aus welchem Grund?“
    „Brauch's nicht zu wissen.“
    „Aber, zum Teufel, antworte doch ordentlich! Was will sie denn um diese Stund jetzt da drüben?“
    „Geht mich nix an. Zettel liegt auf dem Tisch.“
    „Auf welchem?“
    „Auf dem Ihrigen droben.“
    Da sprang Anton in das Haus und eilte hinauf. Da lag der Zettel, auf welchem die Weisung geschrieben stand:
    „Bitte meine Effekten nebst Rechnung mir morgen früh nach Feldafing zu senden.“
    Nach zwei Minuten saß er im Boot und ruderte über den See. Drüben angekommen, nahm er sich kaum Zeit, das Boot richtig anzubinden. Er eilte in den Gasthof und ließ fragen, ob Marga Siebers noch zu sprechen sei. Sie ließ verneinen. Er aber kehrte sich nicht daran, sondern stieg die Treppe empor und öffnete die unverschlossene Tür ihres Gaststübchens. Sie saß am Tisch, beschäftigt, einen Brief zu schreiben.
    „Sie? Sie kommen zu mir trotz meiner Abweisung!“ sagte sie in zornigem Ton und sich vom Stuhl erhebend.
    „Es ist ein Fehler, den ich begehe, ich weiß das. Aber Sie werden denselben verzeihen. Ich habe Ihren Zettel gelesen. Sie verlassen uns ohne Abschied. Sie müssen beleidigt worden sein.“
    „Nein.“
    „Gewiß!“
    „Nein.“
    „Aber einen Grund müssen Sie doch haben, so zu handeln?“
    „Allerdings.“
    „Darf ich denselben erfahren?“
    „Ich kann ihn nicht sagen.“
    „So ist Ihre Entfernung eine große Beleidigung für uns alle. Wollen Sie das bedenken, Marga.“
    „Ich will niemand beleidigen. Ich will nur verhüten, daß –“
    „Was? Was wollen Sie verhüten?“
    „Daß – daß – nein, ich kann es ja doch nicht sagen.“
    Sie standen einander gegenüber mit fast feindseligen Gesichtern.
    „Marga, bedenken Sie, wie man Ihre plötzliche und unmotivierte Entfernung auslegen wird!“ bat er.
    „Es gibt nur eine einzig richtige Auslegung, welche alles erklären wird.“
    „Und wie lautet dieselbe?“
    „Ich bin gewissen Mißdeutungen aus dem Weg gegangen.“
    Da dämmerte eine Ahnung in ihm auf. Er fragte:
    „Sie wissen, daß ich eine Unterhaltung mit Leni hatte?“
    „Ja.“
    „So verrate ich alles. Marga, ich habe die Worte, welche Sie beleidigten, nicht im Ernst gemeint. Leni hielt mir eine so empfindliche Strafpredigt, daß ich vor Ärger und Abscheu über mich selbst beinahe unzurechnungsfähig geworden bin. Ich habe nur eine Meinung, aber keine Behauptung aufgestellt. Es ist eine Schlechtigkeit von Leni, Sie gegen mich aufzuhetzen und ich bitte Sie inständig, wieder mit zurückzukehren, um ihr zu zeigen, daß sie uns nicht entzweit, sondern ganz im Gegenteil miteinander vereinigt hat!“
    In ihrem Gesichte kam und ging die Röte.
    „Ich verstehe Sie nicht“, sagte sie.
    Da legte er den Arm um sie, zog sie an sich, küßte sie auf die Stirn und fragte:
    „Verstehst du mich jetzt, Marga?“
    „Ja“, antwortete sie leise.
    „Ich habe ein großes Unrecht an dir begangen. Ich kannte deine Liebe und wollte sie doch nicht beachten. Jetzt aber erkenne ich, daß ich ohne dich arm und elend geworden wäre. Willst du mir helfen, ein guter, fester und treuer Mann zu werden?“
    Da stürzten ihr die Tränen des Glückes aus den Augen, und sie flüsterte:
    „O Gott, wie gern, wie gar so gern! Wer hat meinen Zettel

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