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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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konvulsivisch bebende Mädchen liebevoll an sich.
    „Weine nicht, Martha, sondern erzähle uns dein Leid. Du sollst nie und nimmer von uns verlassen sein.“
    „O nein, ich kann's nicht erzählen! Ihr würdet mich hassen und mich von euch jagen, und das, ja, das wäre mir noch schlimmer als das andere!“
    „Dich hassen und dich fortjagen, Martha? Was denkst von uns? Frag den Mann und frag den Frieder, ob die an so was denken!“
    „Hier, nimm die Hand“, meinte mit gütiger Stimme der Bauer; „ich reiche sie dir hin als Stütze und Hilfe in jeder Not. Nur mußt reden, damit ich weiß, wie ich dir beispringen kann.“
    „Und hier, auch meine Hand, Martha“, fügte Frieder hinzu. „Ich habe sie noch nie dem Unwürdigen gereicht, und du kannst dich in aller Not auf sie verlassen. Drum sage, warum hast keinen Vater mehr?“
    „Du weißt's ja auch!“
    „Ich weiß nicht, ob du das Richtige meinst.“
    „Es ist das Richtige, Frieder, und – ja, ich will's sagen; es muß doch einmal heraus, und je eher, desto besser ist's! Wißt Ihr, Bachbauer, wer der Waldschwarze ist?“
    „Nein, der Frieder hat mir's bisher nicht sagen wollen.“
    „Er hat's verschwiegen bloß um meinetwillen. Mein Vater ist's …!“
    „Dein – Vater ist's? Der Feldbauer?“
    Der Blinde ließ ihre Hand, die er in der seinen hielt, fallen und trat einige Schritte zurück. Über sein entstelltes Angesicht zuckte es wie eine plötzliche Erkenntnis; seine blinden Augen schienen aus ihren Höhlen treten zu wollen; seine Zähne bissen sich fest aufeinander; sein Fuß erhob sich, und seine Ellenbogen warfen sich empor, als wolle er sich auf den stürzen, von dessen Geheimnis so plötzlich der Schleier gerissen war.
    „Ja, mein Vater, der Feldbauer! Nicht wahr, nun bin ich Euch verhaßt und verachtet und muß gehen?“
    „Der – der – der also!“ knirschte es zwischen den Lippen des Gefragten hervor. „Ich habe mir's ja oft gedacht und konnte mir den Waldschwarzen gar nicht anders denken als in seiner Gestalt. Also er hat mir den Sohn gemordet! Er hat mir das Auge geraubt; er ist der Satan gewesen für das ganze Gebirge und hat Verderben gebracht über so viele ehrliche Leute, die sich nicht von ihm verlocken ließen! Frieder, ist's wahr? Ist's kein anderer?“
    „Er ist's, Vater!“
    „So sei er verflucht, tausendmal, millionenmal! Die Erde kann ihn nicht länger tragen, und der Himmel mag ihn nimmer haben; hinunter in die Hölle mit ihm! Frieder, komm, reich' mir die Hand! Ich muß hinaus zum Feldhof, hinaus zu ihm; ich muß ihn zermalmen, zerdrücken; fort, fort, ich halt's hier nimmer aus!“
    Er streckte die Hand aus nach dem Sohn; sie wurde von einer anderen kleinen Hand erfaßt.
    „Bachbauer!“
    Die Arme Marthas umklammerten ihn, als könne sie dadurch das drohende Unheil von ihrem Heim abwenden.
    „Was soll's? Willst ihn vielleicht erretten? Habe ich nicht vorhin gesagt, daß keine Macht, kein Reichtum und keine Bitte ihm helfen soll? Er ist mein erster und letzter Gedanke bei Tag und Nacht; er hat mir mehr geraubt, als ihr wißt und versteht; mein Gemüt, meine Ruhe, meinen Frieden, mein Glück, meinen Hof, meine Welt mit allem, was darinnen ist, und auch euch selber. Es ist finster um mich und in mir; ich kann nichts sehen mit dem Auge des Leibes und kann nichts sehen mit dem Auge des Geistes. Was ich gekannt, ich hab's vergessen und verloren, und kein einzig Bild ist mir von euch geblieben. Sagt, gibt's größeren Raub auf der Erde? Gibt's eine Strafe, die groß genug ist dafür?“
    Da trat die Bäuerin zu ihm und nahm ihn bei der Hand. Sie kannte die Macht, die ihre Stimme über ihn hatte. Sie sprach:
    „Komm, Vater, setz dich nieder! Der erste Gedanke ist nicht immer der beste. Und der Herrgott ist der Richter. Laß den Frieder erzählen und die Martha; dann wollen wir sehen, was du tust!“
    „Ja, erzähle Frieder; heraus damit; ich brenne vor Begierde, zu wissen, wie du hinter seine Schliche gekommen bist!“
    „Das werde ich tun, doch muß ich erst erfahren, wie Martha ihn erkannt hat. Magst es sagen, Martha?“
    „Es muß ja sein! Der Vater sagte heute, daß er gleich nach dem Nachttisch schlafen gehen wollte, und ich nahm mir daher vor, euch zu besuchen. Ich wollte durch den Garten, weil da mein Gang vom Gesinde nicht bemerkt werden kann. Ich ging daher leise über den Hof und an der Brunnenstube vorüber. Es war Licht darin. Ich blickte hinein, und wen sah ich? Den Vater! Er glaubte uns drin noch alle

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