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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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beim Essen und hielt sich darum sicher vor Verrat. Er hatte die hohen Stiefel an und einen Gürtel um den Leib, in dem es von Waffen blitzte. Grad als ich an das Fenster trat, nahm er eine lange Perücke auf den Kopf und hing einen Bart um das Kinn. Dann band er die Larve vor das Gesicht und stieg in den Brunnen. Das ist's, was ich bemerkt habe; es war genug für mich! Ich habe dabeigestanden, als hätte mich der Blitz geschlagen; die Füße sind mir gewesen wie Blei, das Herz wie Stein und der Kopf wie Eisen; und als ich dann gegangen bin, so habe ich gewankt wie ein Trunkener, dem die Glieder nicht gehorchen mögen.“
    „Du armes Kind!“ meinte mitleidsvoll die brave Bäuerin. „Darum warst so bleich und müde, als du herbeikamst.“
    „Der Mensch ist nicht den kleinen Finger seines Kindes wert!“ stimmte der Blinde bei, dessen Blut schon in weniger hohen Wogen ging. „So hat er sein Versteck im Brunnen?“
    „Im Stollen, in den der Brunnen geht, Vater“, berichtete Frieder. „Weißt, der Stollen beginnt unten der Zeche, führt unter dem Feldhof vorbei und mündet in den Wald, wo die Niederlage ist.“
    „Die Pascher“, fuhr Frieder fort, „sind gegen zwanzig Mann; sie steigen da, wo der Gang nicht weit von der Mündung eingestürzt ist, hinab, empfangen die Waren und tragen sie über die Grenze. Sie kennen bloß den unteren Teil des Stollens, und dort sind auch die Stufen, die du hinabgestiegen bist.“
    „Warst denn darin?“
    „Ja; da die Martha den Waldschwarzen kennt, kann ich nun alles erzählen!“
    Er begann seinen Bericht, den er in größter Ausführlichkeit erstattete. Mehr als einmal ergriff die Mutter oder auch Martha seine Hand, wenn seine Erzählung eine Gefahr berührte, in welcher er sich befunden hatte. Das Mädchen vergaß den Vater und ihr eigenes Unglück und dachte nur an das fürchterliche Wagnis, welches den unerschrockenen Jüngling mehr als Freiheit und Leben hätte kosten können. Die Bäuerin hatte ganz die gleichen Empfindungen, und der Bauer saß da, scheinbar kalt und ruhig, während er doch jedes Wort des Erzählers verschlang und ein über das andere Mal tief ausatmete vor Erwartung des Kommenden, oder vor Stolz, einen Sohn zu besitzen, welcher der alten Tradition des Bachhofes solche Ehre machte.
    Als dieser geendet hatte, herrschte eine ganze Weile tiefes Schweigen in der Stube. Der Vater war der erste, welcher es brach:
    „Hast recht gehabt, Frieder! Die Schlinge ist gelegt; er kann uns nicht entgehen. Noch einmal mußt hinaus, und ich gehe mit; es ist keine Gefahr dabei, bei dem Fang muß ich zugegen sein. Kann ich auch nichts sehen, so kann ich's doch hören, wie er sich krümmt und windet, und dann will ich vor ihn hintreten und ihm den letzten Stoß versetzen, der ihn gefangen gibt. Gleich morgen früh machst die Anzeige beim Feldwebel; der mag's dem Offizier berichten, und dann kann der Tanz beginnen.“
    „Gnade!“ flehte Martha. „Habt Erbarmen mit mir und der Mutter! Wenn ihr ihn fangt, wird sie die Schande nicht überleben! Ich will euch dankbar sein, so lange ich lebe; ich will zu euch ziehen und eure Magd werden, die geringste in eurem Dienst, will euch alles am Auge absehen und euch auf den Händen tragen, so gut ich kann und vermag!“
    „Gnade? Hat er Gnade mit mir gehabt oder Erbarmen? Die Gnade gegen ihn wäre ein Verbrechen, das uns an seiner Schuld teilnehmen ließ. Was geht dich und die Mutter der Waldschwarze an! Dem Feldbauer will ich um deinetwillen und ihretwegen all den Haß vergeben, den er auf mich geworfen hat; aber der Waldschwarze ist euch fremd; er hat sich in euer Haus hineingezwungen, und seine Sünde steigt hoch zum Himmel empor; sie schreit um Vergeltung wie das Blut Abels und kann nimmer gesühnt und vergeben werden. Das ganze Dorf weiß, wie ihr mit dem Feldbauer steht. Von seinem Tun wird nicht der geringste Vorwurf auf euch kommen, und alle Tore und Türen sind euch geöffnet, wo ihr anklopft. Wollt ihr noch länger hinsiechen und hinkriechen unter dem Unglück, das er euch bereitet? Werft es ab; das ist eure Pflicht und Schuldigkeit, und ihr werdet mir's noch Dank wissen, daß ich ihn zertreten habe!“
    Der Bachbauer erhob sich und ging in die Nebenstube. Der Goliath kannte sich und sein Herz, und er wußte ganz genau, daß er längeren Bitten unmöglich widerstehen konnte.
    Martha weinte. Sie hatte viel gelitten, heute aber war der bitterste Tag ihres Lebens.
    „Sei still“, tröstete die Mutter; „bis morgen ist

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