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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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seit wir wissen, daß du des Nachts hinausgehst, um den Waldschwarzen zu fangen.“
    Martha hatte bisher dem Gespräch zugehört, ohne zu wissen, auf wen es sich bezog. Bei dem letztgenannten Namen aber fuhr sie erschrocken auf.
    „Den Waldschwarzen willst du fangen?“ fragte sie erblassend.
    „Ja.“
    „Oh, tu das nicht, Frieder! Er ist fürchterlich und wird sich grausam rächen.“
    „Recht hast mit dem fürchterlich, Martha, doch seine Rache fürchte ich nicht. Der Stachel dazu ist ihm genommen.“
    „Wenn auch! Weißt, was in der Bibel steht? Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr! Überlaß ihn dem lieben Gott, den kann er nicht betören und überwinden.“
    Da trat der alte Bachbauer zu ihr und tastete seine Hand auf ihre Schulter.
    „Martha, du sprichst, wie ein Weib reden muß, dem ein weich und zart Gemüt gegeben ist, in das der Haß und die Feindschaft noch nimmer hinabgestiegen sind. Aber blick' um dich her auf das Elend, das der Waldschwarze, der dem Gesetz und dem Kaiser und dem Herrgott trotzt, angerichtet hat; gehe hinaus auf den Kirchhof, wo der Franz in der kalten Erde gebettet liegt; schau her auf mein Angesicht, und du wirst anders denken. Wegen meiner hat sich nie ein Wurm gekrümmt; mein Herz ist mild und sanft; aber es hat eine Stelle, die ist wie Erz und Stein; die hat der Waldschwarze angegriffen, und nun bleibt sie hart und starr, bis ich mit ihm quitt geworden bin. Der Frieder ist der einzige, den ich habe, und seit ich weiß, daß er den Feind beschleicht, habe ich den Seelenkampf, denn jeder Augenblick kann mir die Kunde bringen von seinem Untergang. Aber nun er soweit vorgeschritten ist, darf er nimmer zurück; ich verbiet' es ihm, und er will's auch selber nicht. Wir haben ein Recht auf den Waldschwarzen, und das soll uns niemand nehmen!“
    „Gebt's dennoch auf, Bachbauer; gib's auf, Frieder! Denn solch ein Recht kommt nicht von Gott!“ bat sie mit unverkennbarer Angst in Stimme und Miene.
    „Und dennoch kommt's von ihm! Du hast vorhin den Spruch gesagt, Martha, aber seine Bedeutung kennst gar nimmer. Die Rache kommt von Gott; er wird vergelten; aber er steigt nicht vom Himmel herab, um mit der Faust dreinzuschlagen, sondern er gebietet es uns, die Strafe zu vollstrecken. Ich habe seine Stimme gehört seit langer Zeit, aber ihr nicht Gehorsam leisten können. Soll ich ihr jetzt widerstreben, wo ich die Macht habe, Vergeltung auszuüben? Nein! Frieder, wirf mir den Waldschwarzen in diese beiden Hände, und ich will dich segnen all mein Leben lang; keine Macht, kein Reichtum und keine Bitte soll ihn befreien, und wie er kein Erbarmen gehabt hat mit uns, so soll auch ihm sein Recht werden, voll und unverkürzt wie er's verdient!“
    „Ist er wirklich in deine Hand gegeben, Frieder?“ fragte das Mädchen.
    „Ja, er kann mir nicht den geringsten Widerstand leisten, wenn ich ihn fassen will.“
    „Und kennst du auch seinen Namen?“
    „Auch den!“
    „Wer ist's Frieder? Oh, sag's, ich bitte gar sehr!“
    „Das kann ich heute noch nicht, doch bald sollst du es erfahren.“
    „Aber gesehen hast ihn! Wie sieht er aus?“
    „Stark und breit, im Gürtel Messer und Pistole, das Gesicht voller Bart und die Larve obendrauf; er ist gar furchtbar anzuschauen.“
    „Was hat er für Haar?“
    „Es ist dunkel und geht bis auf die Achsel hernieder.“
    Sie stieß einen Schrei aus, schlug die Hände vor das Gesicht und sank auf einen Sessel nieder. Die Bäuerin eilte erschrocken herbei, und auch Frieder erfaßte bestürzt ihre Hände, um sie von dem Gesicht zu entfernen.
    „Um Gottes willen, was gibt's, was hast, Martha?“ fragte er.
    Sie ließ die Arme sinken und legte den Kopf schwer auf die Lehne des Stuhls. Ihr Atem ging schwer, ihre Lippen zuckten, und aus den halbgeschlossenen Wimpern rollten zwei große, schwere Tropfen über die todesbleichen Wangen herab.
    „Frieder!“ klang es müde zwischen den Lippen hindurch.
    „Martha, sei stark; mache dein Herz frei, und sage, was dir fehlt. Du wirst gern Trost und Hilfe von uns erhalten!“
    „Ich habe keinen Vater mehr!“
    „Wie meinst das? Was weißt du von ihm?“
    „Alles, alles weiß ich! O meine liebe, gute Mutter, das wirst nimmer überwinden; das kannst nicht verschmerzen, daran wirst untergehen und sterben, du und auch ich!“
    Der Gedanke an die Mutter gab dem erstarrenden Puls neues Leben; sie brach in ein herzerschütterndes Schluchzen aus. Die Bäuerin ließ sich an ihrer Seite nieder und zog das

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