73 - Der Dukatenhof
mußt, so arbeite in der Nacht! Oder meinst du damit auch, daß du keine Zeit für mein neues Kleid hast? Die Näherinnen in der Stadt mag ich nicht. Sie sagen zwar, daß sie mich nicht mögen, aber umgekehrt ist es richtiger. Willst du es machen?“
„Ja. Dann muß ich allerdings des Nachts arbeiten.“
„Und du fährst mit mir in die Stadt?“
„Nein. Suche dir den Stoff selbst aus!“
„Das kann ich nicht, dein Geschmack ist mir lieber als der meinige. Und du sagtest ja soeben, daß du dir freigeben willst.“
„Nicht für die Stadt. Ich habe mit dem Herrn Lehrer die Muster zu besprechen. Er ist an meinem Geburtstag stets zum Kaffee zu uns gekommen und wird dies wahrscheinlich auch heute wieder tun. Da muß ich also zu Hause sein.“
Da fuhr die Tochter des Musterwirts schnell auf:
„Hat er es dir etwa vorhin versprochen?“
„Nein.“
„So kommt er heute nicht; ich werde dafür sorgen! Ich weiß gar wohl, was du denkst und was du willst. Aber das schlage dir nur aus dem Sinn. Der Herr Lehrer ist nicht für dich! Der braucht eine Frau, die gerade gewachsen ist und die das Geschick besitzt, mit feinen Leuten zu verkehren. Der hat eine Zukunft; das sagt der Vater, und der versteht es wohl. Er wird nicht lange mehr Lehrer bleiben. Die Behörde ist auf ihn aufmerksam geworden; wir wissen es. Auch sogar der Vater hat mir anvertraut, daß er noch Großes mit ihm vorhabe. Wenn so ein Mann sich eine Frau sucht, so geht er nicht zum armen Damenhäusle, sondern zum reichen Musterwirt, der ganze Säcke voll von blanken Talern hat und dazu eine Tochter, auf welche man selbst in Dresden Augen macht, wenn man sie sieht. Also, willst du mir das neue Kleid machen?“
„Ja.“
„Und am Nachmittag mit mir in die Stadt fahren?“
„Nein.“
„So laß es bleiben! Wenn du nicht mitfährst, darfst du es auch nicht machen. Es leckt jede Näherin die Finger danach, für Fräulein Rosalia zu arbeiten. Ich gehe jetzt. Wir sind geschiedene Leute. Aber vorher sage ich dir noch einmal: Der Herr Lehrer ist nicht für dich gewachsen, und wenn du ihn dir nicht aus dem Kopf streichst, bekommst du es noch ganz anders mit mir zu tun, als damals, wo ich dich nur buckelig machte!“
Sie war von ihrem Stuhl aufgesprungen. Nun drehte sie sich um und ging, ohne einen Gruß zu sagen, durch das Gärtle hinunter, über die Brücke und auf dem Wiesenweg nach dem elterlichen Haus, wo sie im Stall bekanntgab, daß sie nicht heute, sondern erst morgen nach der Stadt fahren werde.
„Heute muß ich daheim bleiben“, dachte sie. „Ich werde auf den Lehrer lauern und mit ihm reden. Dann soll es sich zeigen, wo er den Geburtstagskaffee trinkt, bei ihr oder bei mir!“
Von da ging sie nach dem Innern des Hauses, in die große Gaststube, wo auf einem besonderen Tisch alle ihre Geburtstagsgeschenke ‚aufgebaut‘ waren, damit jedermann sie sehen und bewundern möge. Der Musterwirt liebte es, auch in dieser Weise zu zeigen, daß er der reichste Mann im ganzen Dorf, ja, wohl in der ganzen Umgebung sei.
Obgleich es noch am Vormittag war, hatte sich schon eine Anzahl von Gästen eingestellt, die von der Nachricht herbeigelockt worden waren, daß der Gendarm im Gasthof gewesen sei und etwas Neues vom ‚Geldmännle‘ erzählt habe. Auch das Ausstellungskomitee hatte sich eingefunden, wegen des Briefs aus dem Ministerium von dem Wirt zusammenberufen. Die Tochter kam grad, als ihr Vater zu erzählen begann, was er von dem Sicherheitsbeamten erfahren hatte. Er sagte soeben:
„Es ist zwar schade um den Neubertbauer, aber er hat immer groß hinaus gewollt. Mit solchen Protzen sollte man eigentlich gar kein Mitleid haben. Er hat ein einziges Kind, eine Tochter. Nun schaut die mal an, wie sie dahergeht! Wie eine Fürstin tritt sie auf, und nichts ist ihr gut und teuer genug gewesen. Ein solches Gehabe mußte den Neuberthof herunterbringen. Die Tochter hat nach und nach den Vater aufgefressen und er dabei sein schönes Bauerngut. Und alles, alles hat er besser verstanden als andere Leute. Und recht hat er gehabt in allem, was man mit ihm sprach. Er hat sich sogar sehr oft mit mir herumgestritten, und das will schon was sagen! Als es immer mehr und mehr abwärtsgegangen ist und er bald nichts mehr gehabt hat, da hat er sich nach dem Geldmännle umgeschaut, und dieses ist sehr schnell zu ihm gekommen. Denn das Geldmännle ist allwissend und findet jeden, der es haben will. Der Neubertbauer hat für jeden guten, echten Schein fünf falsche,
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