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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gesichtsschleier der Mexikanerinnen, überhaupt der Amerikanerinnen spanischer Abstammung. Wenn der fremde Herr wirklich komme und die hiesige Klöppelei für entwicklungsfähig halte, so könne sich derselben ein neues und ebenso umfang- wie segensreiches Absatzgebiet eröffnen. Der Deutsche sei eben immer noch zu sehr Michel. Er sehe sich nicht eher um, als bis der Zufall ihm die Augen öffne.
    Das Wort Michel leuchtete dem Karlinchen sofort ein. Sie sah verständnisinnig zu dem Herrn Lehrer auf. Dieser sprach noch längere Zeit über die verschiedenen Vorbereitungen, welche in fast jedem Haus für die Ausstellung getroffen wurden. Was das Karlinchen dabei zu hören bekam, das fuhr ihr dieses Mal nicht in die Hörner, sondern ausnahmsweise ganz nieder in die Beine. Flaggen, Wimpel, Fahnen, Blumen, Kränze, sogar Girlanden quer über die Wege! Das ging ihr durch die Ohren, erst einfach in alle Gefühls- dann aber zehnfach in alle Bewegungsnerven! Man kann nicht umhin, hier daran zu erinnern, daß die Ziegen für neugierig ausgeschrien werden. Die Wissenschaft hat konstatiert, daß dies wahr sei, aber die mag sich nur fein an ihrer eigenen Nase zupfen, denn nirgends gibt es so neugierige Ziegen als grad eben in der Wissenschaft. Sie schnobern und naschen an allem herum, was in ganz andere Mäuler gehört! Und wenn man sich über diese ihre Neugierde wundert, so hängen sie ihr einen Mantel um und geben sie für Wißbegierde aus. Handelt es sich um etwas zum Trinken, so nennen sie es sogar Wissensdurst! Nun, das Karlinchen gehörte eben auch zu dieser edlen Art! Sie fühlte Wissensdurst! Wenn man jahraus, jahrein fast niemals vom Bergle weg und höchstens nur einmal bis hinunter auf die Wiese gehen darf und dafür täglich eine ganze Kanne, das sind zwei Nößel, Milch zu zahlen hat, so sind das jährlich über siebenhundert Nößel Milch. Dafür kann man schon einmal etwas wagen, was sich der Mensch fast jeden Tag erlaubt, obgleich er keine Milch zu liefern hat, nämlich sich des Abends vom Häusle fortzuschleichen, um seinen scheinbar wissenschaftlichen Durst zu löschen. Nur hat man das so schlau wie möglich anzufangen, wenn man nicht Gefahr laufen will, von der Mutter entweder vorher fest eingeriegelt oder nachher in flagranti attrappiert zu werden!
    Indem das Karlinchen diese köstlichen Gedanken in sich bewegte, war das Gespräch zu Ende gegangen. Der Herr Lehrer griff nach seinem Hut und sagte:
    „Und nun noch eins, bevor ich gehe. Heut' sind die Festjungfrauen bestimmt worden –“
    „Ich denke, die sind schon längst bestimmt?“ fiel da die Mutter ein.
    „Von wem?“
    „Die Rosalia sprach doch davon. Sie werde die Oberste sein, sagte sie. Das weißseidene Kleid ist ja schon fertig!“
    „Ein weißseidenes Kleid für sie? Nach den Ereignissen der letzten Zeit? Fest Jungfrauen sind doch wohl Ehrenjungfrauen! Was sie sich gedacht hat, geht doch uns vom Komitee nichts an! Wir haben zu bestimmen! Sie, die sich gern Brüstende, ist es allerdings gewesen, welche das Wort Festjungfrau zum ersten Mal ausgesprochen hat. Es ist leider weitergetragen worden. Der Herr Pfarrer und ich, wir waren dagegen, sind aber überstimmt worden. Doch ist es uns gelungen, dieser Angelegenheit eine solche Form zu geben, daß der Herr Minister und die anderen behördlichen Gäste nicht durch sie belästigt werden können. Diese Herren sollen uns für das halten, was wir sind, nicht aber für Väter eitler Töchter, die sich gern sehen lassen wollen. Wir haben eine Liste aufgestellt, Fräulein Rosalia ist nicht dabei. Es gibt allerdings eine ‚Oberste‘, wie sie beliebt hat, es zu nennen. Diese Oberste wurde derart gewählt, daß jeder den Namen, den er wollte, auf einen Zettel schrieb und den Zettel auf den untersten von zwei Tellern legte. Als sie dann vorgelesen wurden, stellte sich zur allgemeinen Freude heraus, daß es ein ganzes Dutzend Papiere, aber nur einen einzigen Namen gab. Der lautete – das Herzle!“
    „Ich?!“ rief die Genannte erschrocken aus.
    „Ja, du!“ nickte er, indem sein Auge strahlend auf ihrem jetzt tief erglühenden Gesichtchen ruhte.
    „Warum ich, Herr Lehrer? Ich bin doch – ich bin – ich bin –“
    Sie konnte nicht weiter sprechen. Es stürzten ihr die Tränen aus den Augen. Die Mutter weinte auch. Da legte der Lehrer der Freundin seiner armen Jugend die Hand auf das Haupt und sagte:
    „Herzle, die Gemeinde, die ganze Gemeinde will es so, und – der König auch!“
    „Der König?

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