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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gar der König auch? Wie ist das möglich?“ fragte sie erstaunt.
    „Sag' erst, ob du willst. Ich bin vom Komitee zu dir geschickt worden, um dich zu fragen.“
    „Wenn es nur die Gemeinde wäre, so würde ich ‚nein‘ sagen. Du weißt, warum!“ antwortete sie mit einem tiefen, seufzenden Atemzuge. „Wenn es aber sogar auch der König will, so muß ich wohl gehorchen. Woher weiß er denn aber von mir?“
    „Aus meinem neuen, zweiten Buch. Ich habe dich und die Mutter als ein Beispiel genannt, als einen Beweis, daß die Armut ganz wohl das unlautere Kapital besiegen kann, wenn sie dem lieben Gott vertraut, die Hände fleißig regt und ebenso fleißig darüber nachdenkt, wie man sich selbst auch helfen kann. Das hat dem hohen Herrn gefallen. Es ist aus seinem Privatkabinett ein Schreiben an den Herrn Pastor gekommen, dessen Inhalt du nur dann erfahren wirst, wenn du einwilligst, die Oberste der Festjungfrauen zu werden.“
    „So muß ich freilich wohl. Aber ich bitte dich, verlange nicht von mir, daß ich deswegen gar besonderen Staat zu machen habe!“
    „Herzle, du kannst genau so kommen, wie ich dich hier vor mir sehe. Es bedarf nicht eines einzigen Schmucks. Höchstens ein Rösle aus meinem Schulgarten. Und das bringe ich dir gern, wenn du es mir erlaubst.“
    Sie nickte nur. Er drückte ihr die Hand. Der Mutter auch. Dann wollte er gehen. Aber das machte sich nicht so schnell, als er dachte. Das Karlinchen stand nämlich auf und tat einen Freudensprung, wie man ihn bei ihr noch gar nicht gesehen hatte.
    „Das ist drollig!“ lachte er. „Fast sollte man denken, daß sie alles verstanden habe und sich ebenso darüber freue wie wir. Karlinchen, von heute an gibt es auf dem Bergle eine Festjungfrau!“
    Da schielte ihn die Ziege nur so von der Seite an. Es war die reine Ironie. Sie wußte es besser, viel besser als er; aber sie verriet es nicht. Doch als sie ihn bis hinab zum Brückle begleitet hatte und ihm nachschaute, wie er über die Wiese ging, machte sie eine zweite Auflage des Freudensprungs und sagte bei sich selbst:
    „Nur eine Festjungfrau hier auf dem Bergle? Warte nur, Bursche, was du für Augen machen wirst! Da kenne ich den König doch noch besser! Der weiß schon, was er will! Ich sehe da, daß ich mich nun selbst einmal bekümmern muß. Ich muß unbedingt heut' abend in das Dorf. Es gilt zu revidieren. Freilich heimlich, ungeheuer heimlich! Wie fange ich es nur an, daß ich nicht eingeschlossen werde? Der Riegel – der Riegel – der Riegel!“
    Sie ging das Bergle langsam wieder hinauf und blieb für kurze Zeit bei ihren Herrinnen stehen, um sie mit einem Gesicht zu täuschen, welches so ziegenhaft wie möglich war. Sie wollte gerade jetzt nicht für eine jener ihrer Kommilitonen gehalten werden, welche Wissensdurst besitzen. Als sie glaubte, dies erreicht zu haben, wandte sie sich mit einer Miene, von welcher ganz gewiß kein Wässerlein trübe werden kann, dem Stall zu, um ihn auf ihr Vorhaben hin zu untersuchen.
    Dem Riegel war nicht beizukommen; das sah sie sofort ein. Dafür erschien ihr aber die hintere Wand so ziemlich glückverheißend. Sie bestand aus Brettern, welche unten von der Stallfeuchtigkeit zerfressen waren. Es galt eine Probe. Sie ging hinein und rannte mit den Hörnern gegen das eine Brett. Es gab nach. Beim nächsten Stoß auch das zweite.
    „Fein!“ dachte sie. „Jetzt muß ich aufhalten, sonst merkt es die Mutter. Auf die kommt es an. Vor dem Herzle wäre mir gar nicht bange. Heute abend habe ich nur noch nachzuhelfen. Dann gehe ich in die Wicken!“
    ‚In die Wicken gehen‘ ist nämlich im Erzgebirge genau dasselbe, was man in anderen Gegenden auskneifen, durchbrennen, oder gar sich heimlich drücken nennt. Man sollte eigentlich einmal irgendeinem berühmten Psychologen die Frage vorlegen, durch welche ‚Assoziationen der Ideen‘ das sonst so interne Karlinchen auf so außerordentlich extreme Gedanken kommen konnte. Vielleicht schriebe er ein mehrbändiges Werk darüber, daß kein allzu großer Unterschied zwischen der Tier- und der Menschenseele ist, wenn man die eine leugnet und von der anderen so viel wie gar nichts weiß.
    Ob das, was in dem Karlinchen steckte, Seele war oder nicht, das bleibt sich gleich. Aber daß sie Hörner hatte, das kann unmöglich bestritten werden. Und diese waren dazu da, die inneren Entschlüsse auszuführen, mochten diese nun stammen, von wem es ihnen beliebte. Dabei ist hier zu konstatieren, daß die wackere Ziege sich um

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