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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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so mehr mit ihren Fluchtgedanken beschäftigte, je näher der Abend kam. Sonderbarerweise wollte ihr der gewaltsame Ausbruch jetzt immer weniger gefallen.
    „Zwei neue Bretter kosten in dieser halben Länge doch wenigstens dreizehn Groschen“, dachte sie. „Es wäre doch hübsch, wenn ich der Mutter dieses Geld ersparen könnte! Wie schön, wenn sie gerade heute einmal vergäße, die Tür zuzuriegeln. Das ist aber in meinen acht Lebensjahren erst zweimal vorgekommen!“
    Dieser Wunsch grub sich so fest ein, daß sie ihn nicht wieder loswerden konnte. Sogar beim Abendmelken dachte sie an ihn. Und als sie dann aufgefordert wurde, ‚zu Bett zu gehen‘, blieb sie an der Stalltür stehen, drehte sich noch einmal nach der Mutter um, sah sie sehr scharf an und gab dabei den Stoßseufzer frei: „Die Tür hat heute hier aufzubleiben! Ich, das Karlinchen, will es so!“ Dann ging sie hinein und legte sich nieder.
    Es verging eine Viertelstunde, eine halbe, eine ganze Stunde. Niemand kam. Punkt zehn Uhr stieg die Mutter mit dem Herzle die Treppe hinauf, nachdem sie die Haustür von innen verschlossen hatte. Die Kammertür daneben quietschte beim Aufmachen einmal, beim Zumachen noch einmal. Das Karlinchen holte erleichtert Atem wie ein Orgelblasebalg, wenn er sich nach dem letzten Ton zusammenziehen darf.
    „Das ist geradezu großartig!“ sprach das, was in ihr steckte, zu sich selbst. „In zehn Minuten schlafen beide fest. Ich habe mit meinem letzten Blick die Mutter hypnotisiert! Oder war das schon mehr Suggestion? Jetzt soll mir nur noch einer kommen und mir sagen, daß es keine direkte Verbindung zwischen verwandten Geistern gebe! Ich stoße ihn von dem Brückle, daß es nur so kracht! Der Mutter aber gebe ich aus lauter Dankbarkeit morgen drei volle Nößel Milch, nicht bloß eine Kanne! Nun aber will ich horchen. Bis es elf schlägt, warte ich; dann aber schleiche ich mich fort.“
    Auch diese Stunde verging. Es schlug elf vom Turm, erst mit der kleinen, dann mit der großen Glocke. Das Karlinchen zählte beide Male, um ja nicht irrezugehen. Als es stimmte, machte sie sich auf. Das Gärtle hinab und über das Brückle hinüber trat sie sehr leise auf. Dann aber gab es weichen Wiesenweg; da konnte sie sich eher gehenlassen. Zunächst tanzte sie eine kurzbeinige Polakka, dann einen munteren Hüppelschottisch, hierauf einen Linksumgalopp und endlich ein großes Ringelrennen. Da aber war der ganze Atem weg. Sie mußte ein Weilchen stehenbleiben, um die Lunge wieder in Ordnung zu bringen. Als dies geschehen war, schlug es gerade zwölf.
    „Die Geisterstunde!“ dachte sie. „Ich verstelle mich! Wenn ich erwischt werde, tue ich, als ob ich gar keinen Körper habe. Ich schaffe ihn um die Ecke!“
    Dies zu tun fand sich für sie wiederholt Gelegenheit, weil infolge der nahen Ausstellung jetzt länger gearbeitet wurde als sonst. Man ging also später schlafen. Darum war von dem, was sie sich vorgenommen hatte, nämlich vom Revidieren, jetzt noch keine Rede. Vielleicht vor zwei Uhr nicht. Diese Zeit konnte man nützlicher verbringen als durch zweckloses weiteres Umherstreifen. Eine hintere Gartentür stand offen. Sie ging hinein. Da gab es Beete, Sellerie, Grünkohl, Blaukohl, Möhren, sogar Rosenkohl. Auf dem Bergle waren solche schöne Sachen streng verboten. Hier aber wohl nicht, zumal wenn man als Geist auftritt. Es haben noch ganz andere Geister sich gern mit Kohl beschäftigt! Das Karlinchen begann, das Leben zu genießen. Der Garten war keine Landkarte. Und wenn er eine gewesen wäre, so hätte man sie bei der hier herrschenden Dunkelheit nicht lesen können, denn der Mond stand auf der anderen Seite des Hauses. Das Karlinchen wußte also nicht, wo es sich befand, nämlich grad hinter dem Gasthof. Die zwei erleuchteten Fenster da oben, welche offenstanden, gehörten zur Stube des Musterwirts.
    Dieser schlief noch nicht. Seine Tochter befand sich bei ihm. Sie stand vor dem Tisch und strich soeben neunundvierzig harte Taler in die Tasche ihres Poil-de-chèvre-Rocks, dazu den bekannten Lochtaler mit der Elsterperle an der Schnur. Ihr Gesicht hatte einen festen, entschlossenen Ausdruck. Dasjenige ihres Vaters war bleich. Seine Augen lagen tief in ihren Höhlen.
    „Du willst es also tun? Wirklich? Wirklich?“ fragte er.
    „Ja. Es muß so sein. Und du hast nicht den Mut dazu! Meine Mutter ist die Vertraute ihres Vaters gewesen, ich aber war die deine nicht. Darum ist es so weit gekommen. Nun endlich hast du mir

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