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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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toter Vater; der hält ihn fest in deiner eigenen Hand und hebt ihn auf für den Staatsanwalt, der seinen Sitz in –“
    „Staatsanwalt!“ brüllte der Wirt auf. „Der seinen Sitz in –! Wo hat er seinen Sitz, wo? Der Neubertbauer, der Neubertbauer! Da kommt er; da ist er; in meinem Kopf, in meinem Kopf! Da reibt es – da mahlt es – da beutelt es! Da ringt er mich nieder! Haltet mich! Bleibt da; bleibt da, alle beide! Geht nicht fort! Laßt mich nicht mit ihm allein!“
    Er sank da, wo er stand, auf den Boden nieder, mitten in die Quittungen hinein.
    „Was hat er nur, der verrückte, der unausstehliche Kerl!“ jammerte Fräulein Rosalia. „Ich muß fort; ich kann ihn keinen Augenblick länger ausstehen, sonst werde ich auch verrückt. Ich habe mich zu erhalten!“
    „Aber du darfst ihn doch nicht so hier liegen lassen!“ warf das Herzle mitleidig ein. „Greif mit zu! Wir heben ihn auf und schaffen ihn nach dem Lager!“
    „Ich? Ich bin ebenso stolz wie du; ich hebe auch nichts auf, was sich mir vor die Füße geworfen hat! Ich lasse ihn mit seinem Staatsanwalt hier auf den Zetteln liegen. Aber den Taler nehme ich mit. Ich sehe ihn heute zum allerersten Mal. Mit ihm hast du uns auch angelogen, daß er von deinem Vater sei, denn wer sich selbst ersäuft, der ist keinen Taler wert.“
    Sie riß dem ohnmächtigen Vater das Geldstück aus der Hand, lachte verächtlich auf und ging zur Tür hinaus. – – –
    Im Dorf ging es um! Einstweilen nur des Nachts – ganz heimlich und verschwiegen! Es ließ sich von keinem Menschen sehen – es trat ganz leise auf – und wenn ja jemand kam, etwa der Nachtwächter, so versteckte es sich schnell hinter einem Zaun oder hinter einer Ecke. Wenn er vorüber war, so ging es tappelnd weiter. Der Geist war ungeheuer pfiffig. Und darüber brauchte man sich gar nicht zu wundern. Er hieß nämlich – das Karlinchen!
    Wenn Menschengeister umgehen, so tun sie das oft ohne jeden triftigen Grund. Sie sind dann eigentlich nur Gespenster, doch keine wirklichen Geister. Wenn aber eine kluge Ziege, von der man weiß, daß sie wahrhaftig Geist besitzt, auf den Gedanken kommt, im Dorf umzugehen, so ist das etwas ganz anderes. Sie wird das niemals tun, ohne von einer wohlüberlegten Ursache dazu getrieben worden zu sein. Das war hier folgende:
    Wenn die Mutter mit dem Herzle klöppelnd vor dem Häuschen saß, so sprachen sie jetzt von fast weiter nichts, als nur von der Ausstellung, die nun ganz nahe war. Das Karlinchen lag dabei und mußte alles hören, ohne über ihre besondere Ansicht gefragt zu werden. Und die hatte sie doch auch! Die Menschen sollen ja nicht denken, daß sie klüger als gewisse Tiere sind, bloß, weil sie ein Paar Beine weniger haben. Die Intelligenz steckt doch im Kopf; das scheint man sogar in zweibeinigen Kreisen nun endlich eingesehen zu haben! Vergleicht man aber einen Ziegen- mit einem Menschenkopfe, so wird man auf der Stelle sehen, daß dem letzteren gerade dasjenige fehlt, was vorhanden sein muß, wenn man seinen Gedanken und Entschlüssen Nachdruck geben will. Und doch kommt sowohl im körperlichen als auch im geistigen Leben meist alles nur auf diesen Nachdruck an. Wer nicht zu stoßen versteht, der bringt keinen Feind, der sich an ihn wagt, über das Brückle hinüber, das ihn von ungehobelten Personen zu trennen hat, zum Beispiel von Fräulein Rosalia!
    Diese war kürzlich hier gewesen, um zu fragen, was es mit den besagten neunundvierzig Talern für eine Bewandtnis habe; sie könne es von ihrem Vater nicht erfahren, weil der selbst nichts davon wisse. Der Lochtaler aber mit der Elsterperle stamme noch vom seligen Großvater her. Was man mit diesen Talern wollte, das konnte das Karlinchen nicht begreifen, zumal dabei von dem Kommodenschubfache die Rede war, welches sie niemals hatte offenstehen sehen.
    Einige Tage später hatte der Herr Lehrer ihr die pflichtschuldige Semmel gebracht, dieses Mal sogar mit einem Stückchen Schweizerkäse dazwischen. Vor Erstaunen hierüber war ihr der Mund weit offen stehen geblieben. Da hatte der Herr Lehrer lachend gesagt:
    „Ja, ja, mein liebes Karlinchen, heute kann ich mir das leisten! Das Honorar für mein Buch ist angekommen. Es war ein schönes Geld, ist aber nun schon fast alle. Ich habe den Musterwirt bezahlt, der mein Wohltäter war, ohne daß ich es wußte.“
    „Hat er denn das Geld genommen?“ fragte da schnell die Mutter.
    „Ja, und mir schriftlich Quittung ausgestellt“, antwortete

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