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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bekommen, was mir noch fehlt. So lange habe ich nämlich dem Musterwirt Frist gegeben. Dann muß ich ihn anzeigen, wenn nicht der Neubertbauer ihm schon vorher das wohlverdiente Urteil spricht. Es werden drüben im Etablissement jetzt einige schwere Tage sein. Die Leiche wurde hinaus auf den Kirchhof geschafft, in die Totenhalle. Hinweg mit ihr! Dort, wo sie lag, da drüben in der Stube, gibt es noch eine andere Leiche. Die sitzt am Tisch und schreibt und rechnet in ihren geheimen Büchern. Wir wollen ihr wünschen, daß sie sich mehr herausrechnet als nur den Sarg und das Grab! Jetzt gute Nacht, ihr Lieben, Lieben! Morgen früh komme ich wieder!“
    Da stand die Mutter auf und sprach:
    „Morgen früh! So sagte auch mein Anton, als wir uns hier am Bergle zum ersten Abend die Abschiedshände reichten. Am nächsten Morgen brachte er mir das Geld.“
    „Und ich werde es aber holen. Das mußte ich dem Herrn Frömmelt versprechen. Er will es wiederhaben. Wozu, das bat er, mir noch verschweigen zu dürfen. Werdet ihr es mir geben?“
    „Wie gern! Wenn ich nur wüßte, wem diese stille Hypothek gehört! Wir haben so viel, daß wir sie zurückzahlen können.“
    „Das soll sich finden, hat er mir in die Hand gelobt. Wer begleitet mich jetzt bis an das Brückle? Das Herzle oder nur das Karlinchen?“
    „Alle beide!“ riefen alle beide.
    Das heißt, das Herzle sagte es mit Worten, das Karlinchen aber mit den Beinen, jedoch ganz ebenso laut. Sie sprang den beiden voran. Am Brückle machte sie Halt und sah sich nach ihnen um. Als sie kamen, lief sie weiter. Sie dachte, heut sei ein Ausnahmetag. Wie kam es nur, daß sie hernach auf der Wiese grad da stehen blieb, wo der Musteranton seine Marie damals um den ersten Kuß gebeten hatte? War das vielleicht ein hierfür ganz besonders geeigneter Ort? Wie bereits gesagt, wußte das Karlinchen alles, von der Zeder bis zum Ysop herunter. Sogar den Sauerampfer kannte sie, der hier in großer Menge gegen den Aurikelbusch gewachsen ist. Wahrscheinlich stand da noch etwas, ein Kräutlein, süß und lieb, so ganz zum Küssen! Man muß nur suchen, um es zu entdecken! Und als der Herr Lehrer mit dem Herzle herangekommen war, da machte sich das Karlinchen sofort an das Suchen, und zwar so eifrig, daß ihr dabei Hören und Sehen verging. Als aber nichts, gar nichts zu finden war, da drehte sie sich doch endlich einmal nach ihnen um. Ja, was war denn das? Die hatten sich ja gar nicht mehr! Nach dem Dorf zu war der Lehrer schon fast verschwunden! Und das Herzle stand auf dem Brückle und schaute herüber! Ob nach ihm oder nach dem Karlinchen, das konnte man bei dieser Dämmerung nicht deutlich sehen. Da hört doch alles und außerdem noch verschiedenes auf! Jetzt geht es aber heim! Denn – es wird bald Zeit, die Mutter wieder zu hypnotisieren! Oder war es Suggestion? Sie will zwar freiwillig auflassen, aber besser ist besser! Das Karlinchen hat die Schwachheit der Menschen kennengelernt. Ohne Suggestion kommt man mit ihnen nicht fort!
    Von jetzt an ist auf der Wiese niemand mehr zu sehen. Der Mond steigt höher und immer höher. Er hat das eine Auge zu und das andere auf und blinzelt mit diesem anderen sehnsüchtig nach dem Sauerampfer nieder. Ob er etwa –? Hm! Sollte er irgendwo da oben auch über ein Aurikelbeet geraten sein? Jedenfalls hat er es satt. Denn er steigt nun wieder nieder. Im Dorf klappern noch alle Webstühle. Das geht ihm auf die Nerven. Man sieht es den paar Wolken an, die an seinem Weg stehen, daß er sich beeilt. Es wird auch Zeit, denn soeben schlägt es zwölf. Und – was ist denn das? Wer tanzt da plötzlich hier? Erst eine steifbeinige Polakka, hierauf einen Hüppelschottisch, dann einen feschen Linksumgalopp und endlich gar auch noch den wohlbekannten – aber nein; das ist heut ein Menuett! Graziös wiegend, vornehm gütig, herablassend, mit kleinen, hoheitsvollen Schritten. Denn man ist heut eine Kommerzienrätin gewesen, wenigstens! Vielleicht gar eine Exzellenz! Und man kommt dabei nicht so ganz außer Atem, wie es gestern leider war. Man hat sich doch zu erhalten, sagte Fräulein Rosalia!
    Infolge dieses aristokratischen Betragens ist es heut nicht nötig, die Lunge erst wieder groß in Ordnung zu bringen. Die choreographische Einleitung ist vorüber, und die Wanderung kann sofort beginnen.
    Das Karlinchen sieht dabei den Gasthofsgarten wieder vor sich liegen, schlägt aber einen weiten Bogen um ihn herum, denn die Aurikel haben ein höchst unangenehmes

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