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77 Tage

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Titel: 77 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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Geister meiner Vergangenheit in den Wahnsinn zu treiben versuchten? Oder hatte ich einen potenziellen Klienten vergrault?
    Übel war mir immer noch.
    Konnte aber auch an der alten Pizza liegen.
    Mein Blick wanderte auf den kalten Teiglappen in meiner Hand. Er stank nach altem Fett. Ich ließ ihn zurück in die offen stehende Pappschachtel fallen.
    Tag 1
    BELLAS BLOG:
    FREITAG, 14.46 UHR
    Ich wollte bloggen. Ich kneife nicht. Das Schreiben hat seinen Sinn erfüllt. Gestern Abend jedenfalls. Nach dem Unterhosenzwischenfall. Es hat mich tatsächlich beruhigt.
    Das Thema war außerdem ausdiskutiert, als ich ins Wohnzimmer zurückkehrte. Zum Glück. Und es tauchten auch keine weiteren Schlüpfer auf.
    Erst mal tief durchatmen. Das hilft manchmal. Und überlegen. Ob das Weiterleben tatsächlich unmöglich ist. Gut, Mutters Kommentar reicht als Grund für einen Kontaktabbruch zu allen Anwesenden. Sie habe sich was Fescheres erhofft, hat sie verkündet. Vor versammelter Hochzeitsgesellschaft.
    Aber ich habe überlebt. Kann ja jedem passieren.
    Auch wenn ein ungutes Gefühl in der Magengegend zurückbleibt. So ähnlich wie der dicke Kopf nach der Betriebsfeier. Wenn man sich nach und nach erinnert, dass man nach zwei Flaschen Sekt auf dem Schoß vom Chef saß. Kann auch jedem passieren. Es ist trotzdem das Klügste, anschließend einen Arbeitsplatzwechsel in Erwägung zu ziehen.
    Leider scheidet diese Möglichkeit bei der Schlüpferkrise aus. Betroffen sind meine Mutter, meine Schwester, meine Schwiegereltern. Marios Tante Minna. Und seine und meine engsten Freunde. Einschließlich meiner besten Freundin Sina. Um diese Menschen nie wieder treffen zu müssen, müsste ich die Scheidung einreichen. Und die Stadt verlassen.
    Inzwischen hat mir Sina einen Lagebericht erstattet.
    Feinripp wäre der Super-GAU gewesen. Findet sie. Allerdings ist ihre Meinung nicht objektiv. Als meine Freundin muss sie mir Mut machen. Objektiv betrachtet kommt mein Baumwollmodell Feinripp relativ nah.
    Und der Mutti-Klub – bestehend aus den Ehefrauen von Marios Kumpel – der Mutti-Klub kann beim Anblick der eigenen Unterhosen aufatmen.
    Noch als wir im Bett lagen, hat Mario gelacht. Sauer war er bemerkenswerterweise nicht.
    Ärgern können ihn Kleinigkeiten. Zum Beispiel das Kabel des Staubsaugers. Das ich immer in der Steckdose lasse. Um mir das Einsteckern am nächsten Tag zu sparen. Oder der Herd. Den ich nur sauber mache, wenn ich ihn benutzen will. Oder meine Schuhe. Die nach dem Ausziehen immer hintereinander stehen, statt nebeneinander. So etwas löst bei Mario eine Tollwutsymptomatik aus.
    Ich hingegen finde die Unterhose bei unserer Hochzeit dramatischer.
    Heute haben Mario allerdings nicht mal meine hintereinanderstehenden Schuhe gestört. Wir sind für ein verlängertes Wochenende an der See. Flitterwochen sozusagen. Das familiäre Schlachtfeld liegt hinter uns.
    So schaffe ich es allmählich, die Sache mit Humor zu sehen.
    Melli und Tanja (die Vorsitzenden des Mutti-Klubs) haben den ganzen Abend über die Blähungen ihrer Babys gesprochen. Sagt Mario. Und Tante Minna über ihre Stuhlgangprobleme.
    Meine Unterhose war nicht das einzige Gesprächsthema bei unserer Hochzeit.
    Tröstlich.

3.
    »Die Küppers treibt mich in den Wahnsinn! Gestern hat sie mich eine Schlampe genannt und mich zusammengefaltet, weil ich ihren Tee nicht lange genug hab ziehen lassen! Die andere Kollegin trinkt immer noch eine Tasse mit ihr, sagt se. Und dat am Wochenende auch mal ’ne Vertretung kommt, hat sie natürlich nicht geschnallt. Also wer von euch fährt da sonst hin? Agi oder Hedi?« Die Wasserstoffblonde schüttelte angriffslustig ihre Mähne und verschränkte die Arme vor dem zu weit aufgeknöpften Ausschnitt ihrer weißen Kittelbluse. Ihre Brüste krabbelten aufmüpfig hervor. Die Gefärbte gehörte zu der Sorte von Frauen, die ihren Möpsen Namen gab – Milli und Molli oder so.
    Mithilfe ihres Anblicks versuchte ich, meine um den mysteriösen Anruf kreisenden Gedanken zu stoppen. Ich hatte geglaubt, die Stimme meines Vaters zu hören. Natürlich suchte er nach mir. Mein Kontaktabbruch unterstellte ihm, in einem für sein blank poliertes Oberstaatsanwalts-Image so wichtigen Bereich wie der Kindererziehung versagt zu haben. Dieser wortlose Vorwurf musste ihn kochen lassen vor Wut. Allerdings war ich neuerdings offiziell in Bochum gemeldet. Unter meinem vollständigen Namen Liliana-Cassandra Simanowski-Ziegler, der in den Meldedateien sicher nicht

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