8 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 3te Folge
gehört, was der Mann sagte? Laßt Maschinen alle Arbeit machen, ha? Sie wollen mehr Freizeit? Okay, bald haben Sie so viel Freizeit wie Sie wollen.«
Thornier wandte sich rasch ab, um die von neuem in ihm aufsteigende Verärgerung zu verbergen. »In einer Stunde bin ich wieder zurück«, murmelte er und lief davon. Seine Lippen bewegten sich in lautlosem, zornigem Selbstgespräch. Warum noch zwei Wochen warten und sich erniedrigen lassen? Warum nicht einfach weggehen? Sollte d’Uccia doch selber die Dreckarbeit machen, bis die Reinigungsanlage installiert wäre. Es war sowieso ausgeschlossen, im Theater einen anderen Job zu bekommen, also spielte d’Uccias Reaktion keine Rolle. Ich gehe sofort, dachte er. Auf der Stelle. Und im selben Augenblick wußte er, daß er es nicht tun würde. Er konnte es sich selbst nicht erklären, aber wenn er an den Moment dachte, wo er als freier Mann auf der Straße stehen und sich nach einem anderen Job – einem besseren natürlich – umsehen würde, fühlte er eine bohrende Angst.
Seine Arbeit hatte ihm gerade genug eingetragen, daß er sich in einem möblierten Zimmer in der vierten Etage eines Mietshauses, wo er sich seine kärglichen Mahlzeiten selbst bereitete, am Leben erhalten konnte, aber sie hatte ihm wenigstens die Möglichkeit gelassen, den Überresten einer Kunst nahe zu sein, die er liebte. ›Theater‹ nannten sie es, und sie meinten damit weder einen Ort noch ein Geschäft noch den Namen einer Kunstgattung. Ihr Theater war ein Zustand des menschlichen Herzens und der Seele. Jade Ferne und Ian Feria gehörten zu diesen Leuten, die sich mit dem Theater identifizierten. Auch Mela, bevor sie ihr Geschäft mit Smithfield gemacht hatte. Manche hatten es, andere nicht. Die es nicht hatten, waren schon in den alten Zeiten bald wieder abgesprungen. Aber wer es hatte, der war immer noch dabei, auch nachdem das Theater von der technologischen Umwälzung verschlungen worden war. Und sie blieben mit ihm verbunden. Einige von ihnen, wie Jade Ferne, Feria und Mela, hatten sich den Veränderungen angepaßt, profitierten von der Prostitution der Bühne und entwickelten Magengeschwüre und schlechte Gewissen. Und doch, sie verkörperten das Theater, und weil sie da waren, blieb auch er, Thornier, in der Nähe, schrubbte die Böden, über die sie gingen, und fühlte sich irgendwie zugehörig. Nun nahm auch das ein Ende, und die alte Bitterkeit kam wieder in ihm hoch. Bisher war sie chronisch und passiv gewesen, aber jetzt drohte sie akut und aktiv zu werden.
Wenn ich nur noch eine letzte Vorstellung geben könnte! dachte er. Eine letzte große Rolle …
Aber dieser Gedanke führte ihn immer wieder zu den gleichen phantastischen Racheplänen und Tagträumen. Es war sinnlos. Er würde keine weitere Chance bekommen.
Grimmig preßte er die Kinnbacken aufeinander und fuhr zum Smithfield-Depot.
Der Lagerhalter hatte die in einem Lattenverschlag verpackte Mannequin-Puppe schon nach vorn gebracht, als Thornier den Lagerraum betrat. Zu zweit schleppten sie das sargähnliche Gebilde zum niedrigen Tresen. »Wir können sie noch nicht verladen«, nuschelte der Lagerhalter, der einen schwarzen Zigarrenstummel zwischen den Zähnen hielt. »Es ist keine neue Puppe, und Sie müssen erst eine Verzichterklärung unterschreiben.«
»Was für eine Verzichterklärung?«
»Haftung für verborgene Mängel. Wenn die Puppe während einer Vorstellung zusammenbricht, könnt ihr Smithfield nicht haftbar machen. Das ist bei allen Verleihungen gebrauchter Puppen so üblich.«
»Warum hat man dann keine neue geschickt?«
»Weil dieses Modell nicht mehr hergestellt wird. Wenn Sie es wollen, müssen Sie ein gebrauchtes nehmen und die Verzichterklärung unterschreiben.«
»Und wenn ich nicht unterschreibe?«
»Ohne Unterschrift keine Puppe.«
»Ich sehe.« Thornier dachte nach. Offenbar hielt ihn der Lagerhalter für einen Mann vom Produktionsstab. Seine Unterschrift bedeutete gar nichts. Aber es wurde spät, und Jade Ferne war in Bedrängnis. Weil die Verzichterklärung mit seiner Unterschrift ohnehin nicht rechtsverbindlich war, griff er nach dem Formular.
»Augenblick«, sagte der Mann. »Sehen Sie sich lieber erst an, wofür Sie unterschreiben.« Er nahm eine schwere Zange und zerschnitt die Metallbänder, mit denen die Lattenkiste verschlossen war. »Die Puppe ist überholt«, fuhr er fort. »Neue Solenoidflüssigkeit, kosmetische Überarbeitung. Es fehlt ihr eigentlich gar nichts. Ein paar
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