Das Heerlager der Heiligen
VORWORT DES VERFASSERS
ZUR 3. FRANZ Ö SISCHEN AUFLAGE
Der 1973 erstmalig erschienene Roman »Das Lager der Heiligen« hat damals eine Lage und eine Bedrohung geschildert, die heute erkennbar ist und niemand mehr unwahrscheinlich vorkommt. Das Buch beschreibt die friedliche Eroberung Frankreichs und anschließend des Abendlandes durch die Dritte Welt, welche der Zahl nach die Mehrheit geworden ist. Das Weltgewissen, die Regierungen, das Gleichgewicht der Zivilisationen und jeder einzelne, alle fragen sich – allerdings zu spät – was tun?
Was tun, wenn keiner auf die Menschenwürde zugunsten des Rassestandpunkts verzichten will? Was tun, wenn gleichzeitig jedermann – und jede Nation – das heilige Recht hat, seine Identität im Namen seiner Zukunft und seiner Vergangenheit und seiner Besonderheiten zu bewahren?
In unserer Welt haben sich völlig verschiedene Kulturen und Rassen gebildet, die sich oft nur durch eine gebotene vollkommene Trennung voneinander bis zur Höchststufe entwickeln konnten. Die dabei entstandenen Auseinandersetzungen, die es immer geben wird, sind weder aus rassischen Gegensätzen noch aus rassenkämpferischen Motiven hervorgegangen. Sie sind einfach Teil einer fortgesetzten Kräftebewegung, die nun einmal die Weltgeschichte erfüllt. Die Schwachen gehen unter und verschwinden, die Starken vermehren sich und triumphieren über die anderen.
Die europäische Entfaltung zum Beispiel, von den Kreuzzügen angefangen über die Entdeckungen zu Land und zur See bis zu den Kolonialkriegen und ihren Nachwehen, hatte verschiedene Beweggründe, edle, politische und merkantile, wobei jedoch der Rassegedanke nicht mitwirkte und überhaupt keine Rolle spielte oder höchstens bei unbedeutenden Geistern. Im Kräfteverhältnis waren wir nur die Stärkeren. Das ist alles. Daß dies oft überwiegend auf Kosten anderer Rassen ging – wobei manche sogar aus ihrem tödlichen Dahindämmern aufgeweckt wurden –, war nur die Folge unserer Eroberungslust und hatte keine ideologischen Motive. Heute, da das Kräfteverhältnis sich umgekehrt hat, ist unser altes Europa tragischerweise auf der Erde eine Minderheit geworden. Es zieht sich hinter seine brüchigen Mauern zurück und verliert schon Schlachten auf dem eigenen Boden. Jetzt bemerkt es langsam ganz verwundert das dumpfe Getöse der riesigen Flut, die es zu ersäufen droht, und erinnert sich notgedrungen, was die alten Sonnenuhren verkündeten: »Es ist später, als du denkst …« Der letztere Hinweis stammt nicht aus meiner Feder. Thierry Maulnier hat dies nach der Lektüre meines Buches geschrieben. Man möge es mir nachsehen, daß ich dazu noch Professor Jeffrey Hart von der Universität Princeton anführe. Dieser Literaturchronist und berühmte amerikanische Kolumnist bemerkte: »Raspail schreibt nicht über Rasse, sondern über Kultur …«
Im übrigen ist das Buch »Das Lager der Heiligen« ein symbolisches Buch, eine Art brutale Prophezeiung, wie sie mir gerade einfiel. Wenn ich je eine Inspiration hatte, so war es zugestandenermaßen hier der Fall. Wo zum Teufel hätte ich sonst den Mut gefunden, es zu schreiben? Nach achtzehn Monaten Arbeit war ich ein anderer geworden, wenn ich mein Foto auf der Umschlagseite der ersten Ausgabe von 1973 betrachte. Ein erschöpftes, zehn Jahre älteres Gesicht als heute, mit einem Blick, als ob ihn zu viele Visionen gequält hätten. Trotzdem, was von meiner wirklichen Natur in diesem Buch in Erscheinung trat, das war eigentlich ein gesunder Humor, den man auch vorfindet, eine Art Spott, die Komik über Tragischem, eine gewisse Dosis Possenhaftigkeit als Gegengift gegen die Apokalypse. Ich bin immer dafür gewesen, »Das Lager der Heiligen« trotz seines Themas nicht als trauriges Buch zu betrachten, und ich bin gewissermaßen Jean Dutourd dankbar, der dies verstanden hat. »Unser Abendland ist ein Clown geworden. Sein tragisches Ende könnte ebenso eine große Posse sein. Deshalb ist dieses schreckliche Buch im Grunde genommen so komödienhaft.«
Wenn das Buch »Das Lager der Heiligen« ein Symbol bildet, so steckt darin keine Utopie, überhaupt keine Utopie mehr. Wenn eine Prophezeiung darin enthalten ist, so erleben wir heute die Vorboten. Kurz gesagt, im »Lager der Heiligen« ist sie abgehandelt wie eine Tragödie im alten Stil. Zeit und Ort der Handlung bilden eine Einheit. Alles spielt sich innerhalb von drei Tagen an der Südküste Frankreichs ab und dort besiegelt sich das Schicksal der
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