80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
darauf gekommen?«
Dominiks Neugier war geweckt. Vielleicht war es ja doch möglich, auch mit solchen Neigungen eine dauerhafte Beziehung zu führen.
»Wir sind alte Hasen. Wir haben uns schon in der Schule kennengelernt und sind jetzt seit dreißig Jahren verheiratet. Nach einer Weile wurde es ein bisschen fade, also haben wir herumexperimentiert, um etwas Würze in unser Liebesleben zu bringen. Eines führte zum anderen, so hat sich das eben entwickelt. Es war schwieriger, als die Kinder noch im Haus waren. Sie sollten ja nicht mitbekommen, dass ihre Eltern sich in den heißesten Undergroundclubs von New York herumtrieben, wenn wir sie Babysittern überließen und angeblich ins Kino gingen. Aber jetzt haben wir das Haus für uns und können tun und lassen, was wir wollen.«
»Und Ihre Kinder …«, setzte Dominik an, verschluckte aber den Rest des Satzes und überlegte rasch, wie er höflich auf etwas anderes zu sprechen kommen konnte, um das unangenehm intime Thema zu verlassen.
»Ob sie sich normal entwickelt haben, wollen Sie wissen? Ja, sie sind beide reizend, aber sterbenslangweilig. Unser Sohn ist ausgerechnet Scheidungsanwalt geworden und nach Wisconsin gezogen. Allerdings kam er vor Kurzem zurück nach New York und spielt jetzt Posaune in einem Orchester. Und unsere Tochter hat den Sohn des Gemeindepfarrers geheiratet. Der Himmel weiß, wie das passieren konnte. Beide missbilligen unseren Lebensstil, obwohl wir uns große Mühe geben, dass nichts öffentlich wird. Wir wollen nicht, dass unsere Tochter meint, wir hätten einen schlechten Einfluss auf die Enkel. Sie wissen ja, die Leute können so dumm sein.«
»Das ist wohl wahr.«
»Oh, da naht der Herr des Abends. Obwohl er ein bisschen albern aussieht, finden Sie nicht? Latex sollten wirklich nur junge, schlanke Menschen tragen.«
Edward sah seine Frau tadelnd an. »Unsinn. Die Jungen und Schlanken haben kein Monopol auf Glamour. Haben wir das nicht zur Genüge bewiesen?«, setzte er mit zufriedenem Lächeln hinzu.
»Ja, das stimmt.«
Victor trug das Kostüm eines Zirkusdirektors in Rot, Schwarz und Gold aus Latex. Sein Gesicht hatte er wie ein Clown geschminkt; der um seinen Mund verschmierte rote Lippenstift zeigte die Parodie eines Lächelns. Er hatte eine Peitsche in der Hand und einen Zylinder schräg auf dem Kopf, den er lüpfte, als er vor ihnen stand und sich tief verbeugte.
»Ich freue mich so, dass du es einrichten konntest«, sagte er mit hinterhältig zufriedenem Lächeln zu Dominik.
»Danke für die Einladung.«
»Ich bin sicher, die Show, die ich vorbereitet habe, wird dir gefallen.«
»Willst du uns nicht wenigstens einen kleinen Hinweis geben, was uns erwartet?«, fragte Clarissa.
»Und damit die Überraschung verderben? Nein, niemals. Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigen wollt, ich muss die anderen Gäste begrüßen. Es ist nicht leicht, den Gastgeber zu spielen, aber einer muss es ja tun.«
Clarissa wartete, bis er außer Hörweite war, und nahm dann den Gesprächsfaden wieder auf. »Das ist doch absurd. Er ist völlig verrückt. Ich versuche mal herauszubekommen, was für ein Süppchen er da kocht.«
»Hältst du das für klug?«, fragte Ed.
»Na, einer muss ihn doch kontrollieren. Es gibt schließlich einen Unterschied zwischen Kinky und Psychopath. Die Neulinge sollen nicht glauben, wir wären alle gefährliche Irre, nur weil er mal wieder ein ahnungsloses Publikum mit einer seiner aberwitzigen Nummern verstört.«
Sie drehte sich auf dem Absatz um und verschwand im Eingang des Dungeon.
Summer hatte Victors Anruf vor vier Tagen erhalten. Da blieb ihr gerade noch genug Zeit, ihre Schamhaare durch ein Brazilian Waxing entfernen und die Rötung abklingen zu lassen.
Sein Timing war bestimmt kein Zufall, dachte sie, während die Kosmetikerin die zähflüssige, heiße Masse auftrug, ein paar Sekunden wartete, bis sie fest geworden war, und dann den ersten Streifen mit einem Ruck abzog. Um den Schmerz zu lindern, legte sie rasch ihre Hand auf die Stelle.
Summer wusste, dass es unterschiedliche Arten von Schmerz gibt. Nur weil es jemand genoss, mit dem Flogger Hiebe auf den nackten Hintern zu bekommen, riss er sich nicht unbedingt darum, auf einem Zahnarztstuhl zu sitzen, oder war entzückt, wenn er sich die Zehen anstieß.
Ganz sicher war Summer keine Masochistin, doch der Besuch in diesem Enthaarungsstudio gehörte für sie zu den kleinen Freuden des Alltags. Vielleicht lag es daran, dass sie für eine Fremde den
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