80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
Unterricht ist gratis. Einschließlich der Sonderleistungen.«
Dominik dachte an den Dreier mit Miranda und konnte sich vorstellen, was sie dabei im Sinn hatte.
»Wann kann ich mich einschreiben?«, fragte er.
»Jetzt gleich«, erwiderte sie. »Also, wo lagerst du deinen Sprit?«
Das Leben ging weiter, wie es das ja immer tut.
Die Monate verstrichen wie im Flug, gingen auf in einem friedlichen Leben mit Simón und meiner musikalischen Karriere. Ich war einige Wochen unterwegs gewesen, auf Konzerten in Memphis und in Charleston. Auf diesen Reisen fühlte ich mich wie in einem Kokon: Mir gefiel es, Herrin in meiner eigenen Welt zu sein. Es war eine nette Abwechslung zum Alltag mit Simón, dem ich es jedes Mal erklären musste, wenn ich allein fortging, und sei es auch nur um die Ecke zum Lebensmittelladen. In meinem Hotelzimmer schaltete ich dann nicht einmal mehr den Fernseher ein, sondern las Schundromane, hörte Musik oder saß manchmal nur still da und starrte an die Wand. Da hätte glatt die Welt untergehen können, ich hätte es nicht bemerkt. Die Tagesnachrichten interessierten mich nicht im Geringsten.
Dafür ging ich jeden Tag joggen. Das war für mich der beste Weg, mit einer neuen Stadt Bekanntschaft zu schließen und sie fernab der Touristenpfade mit ihren Geräuschen und Gerüchen kennenzulernen und bis in die tiefsten Vororte zu erforschen. Menschen waren ohnehin viel interessanter als Museen.
Als ich für einige Tage nach Manhattan zurückkam, nutzte ich die Gelegenheit, mir neue Joggingschuhe zu kaufen. Meine alten waren völlig hinüber, was ich mit beträchtlicher Genugtuung registrierte. Ich trage lieber eingelaufene Schuhe – brandneue Treter sehen einfach nicht gut aus –, doch nun war die Polsterung abgewetzt, und ich hatte keine Lust, deswegen darin umzuknicken. Ich nahm also die U-Bahn zum Union Square, um die Schuhgeschäfte nördlich und südlich des Astor Place am Broadway abzuklappern.
Der Frühling hatte die Menschen aus den Häusern getrieben; sie drängten sich in den Läden, als sollte das Einkaufen demnächst verboten werden. Nachdem ich in meinen Hotelzimmern relativ oft allein gewesen war, ging mir das Geschiebe und Gedränge und das Warten auf einen Verkäufer, der einem den zweiten Schuh eines Paars aus dem Lager holte, bald auf die Nerven.
Vielleicht ging es südlich der Houston Street geruhsamer zu? Die Geschäfte dort waren exklusiver, und die Kunden traten sich nicht so auf die Füße. Schließlich hatte ich genug Geld, um mir was leisten zu können, und als besonderen Lichtblick würde ich auf meinem Weg dorthin an meinem Lieblings-Eisstand vorbeikommen. Seit ich in Europa war, hatte ich kein Pistazieneis mehr gegessen und plötzlich größte Lust darauf.
An der erstbesten Ampel ging ich über die Straße.
Als ich auf der anderen Seite den Bürgersteig betrat, stand ich direkt vor dem Schaufenster von Shakespeare & Co., einer der letzten noch unabhängigen Buchhandlungen New Yorks. Dominik hatte hier immer gern gestöbert, wenn ich in den nahe gelegenen Boutiquen Klamotten kaufte. Es schien ihm nie etwas auszumachen, wenn ich stundenlang Kleider oder Schuhe anprobierte, und wahrscheinlich hätte er dort sogar mit Freuden die Nacht zugebracht, wenn es ihm möglich gewesen wäre.
Das Schaufenster zeigte das übliche Chaos von Büchern in allen Farben und Formaten. Aber gerade davon schien sich Dominik angezogen zu fühlen. Ich wollte schon meinen Weg den Broadway hinunter fortsetzen, als mir in einer Ecke des Fensters ein Buch mit einer Geige auf dem Umschlag ins Auge stach. Ich verlangsamte meine Schritte und spähte durch die Scheibe.
Aber dann blieb ich vor Schreck wie angewurzelt stehen, sodass mich die Passanten anrempelten. Eine Banderole auf dem Cover erklärte, das Buch sei in Großbritannien ein Bestseller; doch ich sah nur Dominiks Namen wie ein Brandzeichen und die realitätsnahe Illustration einer Violine. Er hatte also sein Manuskript fertiggestellt und einen Verlag gefunden.
Ich betrat den Laden und entdeckte nahe am Eingang, auf dem Verkaufstisch für die neu erschienenen Romane, einen Stapel seines Buchs. Vorsichtig, als könnte ich mir daran die Finger verbrennen, nahm ich ein Exemplar in die Hände.
Ich schlug es auf. Ganz vorne stand eine Widmung:
Für S.
Auf immer dein.
DANKSAGUNG
Unser Dank geht wie immer an unsere Agentin Sarah Such von der Sarah Such Literary Agency und an unsere Lektoren Jemima Forrester und Jon Wood sowie an Tina
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