80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
in großer Eile eingepackt hatte. Ihre Zahnbürste hatte sie allerdings vergessen, ebenso einige Kosmetikartikel, eine Reihe von Cremedosen und Shampooflaschen sowie einen Streifen inzwischen wohl abgelaufener Anti-Baby-Pillen, die sie zurückgelassen hatte, als sie zu ihrem Tourneeabschnitt in Neuseeland und Australien aufbrach – vielleicht ganz bewusst, um Dominik an sie zu erinnern.
Nicht einmal ein Zettel, nirgends.
Obwohl es Dominik nicht weiter überraschte, durchfuhr ihn ein Stich.
Es setzte irgendwie einen Schlusspunkt unter ihre Beziehung.
An den folgenden beiden Tagen blieb er zu Hause, vernachlässigte seine nicht besonders umfassenden Aufgaben in der Bibliothek, ohne sich konzentrieren, vor allem aber ohne recherchieren oder schreiben zu können. Jedes Mal, wenn es bei ihm klingelte, fürchtete er, es sei Victor oder die Polizei. Selbst wenn Victor keine Anzeige erstattete, hätte sein tätlicher Angriff immer noch von einem Passanten beobachtet worden sein können. Ihm war klar, dass es ziemlich brutal gewirkt haben musste, wie er Victor angegriffen hatte, und wenn jemand zur Polizei gegangen war, konnte die ihn durchaus festnehmen.
Am Samstagvormittag hatte er eine Entscheidung getroffen. Er packte seine Sachen zusammen und schrieb eine Reihe von E-Mails, in denen er sich entschuldigte, vom Stipendium zurücktrat und sich erbot, alles zurückzuzahlen, was er bislang erhalten hatte. Weil er vermeiden wollte, dass man seine Wege über den Mietwagenservice, den er gewöhnlich in Anspruch nahm, nachvollziehen konnte, nahm er ein ganz normales Taxi zum JFK -Flughafen. Dort buchte er den ersten verfügbaren Nachtflug nach London.
Hampstead lag noch im Schlaf, als er am Sonntag in den frühen Morgenstunden aus dem Taxi stieg, in seiner Reisetasche nach seinen Hausschlüsseln wühlte und aufschloss. Der Park in der Ferne wirkte grüner denn je, er schimmerte in diesem besonderen Farbton, den es allein in englischen Gefilden zu geben schien. In jeder Hand ein Gepäckstück, versetzte er der Tür einen leichten Stoß, und wie ein Willkommensgruß empfing ihn der trockene Geruch seiner Bücher.
Er war wieder zu Hause.
Zwei Monate verstrichen. Dominik nutzte die Zeit, um einiges zu regeln. Er kam mit der Universität überein, seine Freistellung noch um zwei weitere Semester zu verlängern. Außerdem gewöhnte er sich daran, regelmäßig zu schreiben. Wie er es von früher gewohnt war, wachte er morgens auf, ehe es hell wurde, schrieb eine gewisse Anzahl Seiten an seinem Roman und verbrachte den Nachmittag nach Lust und Laune. Er las, schaute DVD s oder ging im Park spazieren, sofern es das englische Wetter erlaubte.
Natürlich hatte er Summer nicht vergessen, und es verging kein Tag, an dem nicht schöne oder schmerzliche Erinnerungen die aufgesetzte Schicht seiner emotionalen Leere durchdrangen. Wann immer er durch das feuchte Gras des Parks stapfte, sah er Summer vor sich, die – mittlerweile schien es ihm Ewigkeiten her – über die Wiese auf den Pavillon zugegangen war, in dem sie zum ersten Mal für ihn allein gespielt hatte. Er wusste, dass es sich nicht vermeiden ließ und dass es keinen Sinn hatte, dagegen anzukämpfen. Er musste diese bittersüßen Gefühle akzeptieren und, so gut es ging, damit zurechtkommen. Die Zeit mochte seine Wunden heilen, aber sicher schien ihm das nicht.
An einem Tag gegen Ende des Winters kämpfte er mit einer bestimmten Figur in seinem Roman, deren Anlage sich in Widersprüche verwickelte, sodass er ein ganzes Kapitel auseinandernehmen und wichtige Passagen umschreiben musste, um ihr Verhalten plausibel zu machen. Er fühlte sich ausgelaugt und planlos, als es an der Tür klingelte.
Er war im Hausmantel und hatte sich seit vier Tagen nicht mehr rasiert. Rasch band er den Gürtel zu und machte sich auf den Weg ins Erdgeschoss. Wahrscheinlich der Briefträger mit einer Spätzustellung.
Draußen hatte es stark zu regnen begonnen, wie er sah, als er auf dem Treppenabsatz am Fenster vorbeikam. Es klingelte erneut, dringlicher diesmal. Über den Eingangstufen zum Haus gab es keinen Wetterschutz.
Er schob den Riegel auf, steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür.
»Hallo!«
»Ach …«
Vor ihm stand Lauralynn und hielt sich im vergeblichen Bemühen, ihr blondes Haar zu schützen, eine Zeitung über den Kopf. Dabei war sie bereits patschnass, und ihr T-Shirt klebte an ihrem kurvenreichen Körper.
Sie sah verführerisch wie immer aus und wirkte auch
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