80 Days - Die Farbe der Lust
einen Aushang am Schwarzen Brett der Musikhochschule gefunden.«
»Nein«, erklärte ihm Lauralynn. »Victor hat ausgeplaudert, dass da ein Konzert unter anscheinend ungewöhnlichen Bedingungen stattfinden soll, und er hatte auch ursprünglich die Idee für den Veranstaltungsort. Wussten Sie das nicht?«
In Gedanken stieß Dominik einen Fluch aus. Eine schwarze Wolke braute sich in seinem Kopf zusammen, und es wurde ihm eng ums Herz.
Victor, dieser hinterhältige Schuft mit seinen perversen Fantasien, und Summer, beide in New York? Das war sicher kein Zufall.
Er gab sich einen Ruck.
»Lauralynn? Wissen Sie vielleicht, wie ich Victor hier in New York erreichen kann?«
»Na klar.«
»Prima.« Er notierte sich die Adresse.
»Sie haben vorhin den Namen Summer fallen lassen. Hat Ihre Reise nach New York etwa mit ihr zu tun? Reine Neugierde.«
»Ja, in der Tat«, antwortete Dominik und legte auf.
Er schlüpfte in sein Jackett und beschloss, ein bisschen durch den Washington Square Park zu bummeln, um einen klaren Kopf zu bekommen, ehe er Victor anrief. Nachdem er an einem kleinen Spielplatz und einem Hundeauslauf vorbeigekommen war, beobachtete er eine Weile die Scharen von Streifenhörnchen, die über die Wiesen und durch die Bäume tollten. Schließlich ließ er sich auf einer Bank nieder.
Cynthia half mir aus der Wanne und wickelte mich in ein großes Handtuch. Erst da bemerkte ich, dass das Wasser kühl geworden war.
Victor nahm meine Hand und führte mich in ein anderes Zimmer. Wie groß war diese Wohnung eigentlich? Es war eingerichtet wie ein kleines Tattoo-Studio. Vor meiner Abreise aus Neuseeland hatte ich eine Zeit lang mit dem Gedanken gespielt, mir ein Tattoo stechen zu lassen. Irgendein Motiv, das mich an meine Heimat erinnern sollte. Aber dann hatte ich es mir anders überlegt, denn letztlich war mir nichts eingefallen, das ich für immer auf meiner Haut tragen wollte. Vielleicht wäre das die Lösung des Problems: es einem anderen zu überlassen, das Motiv für mich auszusuchen.
Immer noch vollkommen nackt, legte ich mich auf die Bank, auf die Victor gedeutet hatte. Er drückte meine Hand, das einzige Zeichen von Zärtlichkeit, das er mir gegenüber je gezeigt hatte.
Ich schloss die Augen. Genau, wie ich vermutet hatte: Offenbar wollte er mir nicht die Gelegenheit geben, mich für ein Piercing zu entscheiden.
Als ich mich auf die Nadelstiche einstellte, die jeden Augenblick kommen mussten, drifeten meine Gedanken beinahe wie von selbst in ein seliges Nirwana. Das Brummen des Verkehrs draußen schwächte sich zu einem weichen Summen ab. Bestimmt hatten sich inzwischen die Gäste eingefunden, um alles genau zu beobachten, doch sie hatten keine Bedeutung mehr für mich, waren allenfalls noch Schatten im Hintergrund. Ich dachte an meine Geige und die herrlichen Reisen, auf die sie mich geführt hatte. Sex und die Unterwerfung unter den Willen anderer gaben mir Frieden und Ruhe, doch die Bilder, die sich in mir entfalteten, wenn ich meine Bailly spielte, waren weit mächtiger.
Ich erinnerte mich, dass ich für Dominik musiziert hatte, Vivaldi, das erste Mal in der U-Bahn-Station, als mir seine Gegenwart nicht bewusst war und ich ihn noch gar nicht kannte, und dann das zweite Mal im Park. Er war Zeuge meiner Selbstvergessenheit geworden, und es hatte ihn begeistert, welche Wirkung die Musik auf mich hatte.
Dominik. Beinahe hätte ich meine SMS vergessen. Ob mein Handy vielleicht gerade jetzt ungehört im Barschrank surrte? Hatte er noch mal versucht, mich zu erreichen?
Eine Hand berührte meinen Nabel, fuhr dann über meinen rasierten Venushügel und schwebte kurz über mir, wohl, um an meinem Körper die beste Stelle ausfindig zu machen, an der man mich markieren konnte. Ob Victor das Tattoo selbst stechen würde?
»Sklavin Elena«, sagte er mit tiefer, gebieterischer Stimme. »Der Augenblick ist gekommen, da du markiert werden sollst.«
Er holte tief Luft und schwieg einen Augenblick, als wollte er zu einer Rede ansetzen. Was kam jetzt? Etwa irgendein Gelübde, wie auf einer Hochzeit? Verrückt.
»Du entsagst nun deinem früheren Leben und gelobst, mir, Victor, in allem, was ich von dir verlange, zu dienen, bis ich den Entschluss fasse, dich aus meinen Diensten zu entlassen. Bist du bereit, dich mir zu unterwerfen, Sklavin, deinen Willen für immerdar dem meinem unterzuordnen?«
Ich stand am Rand eines Abgrunds. Es war einer jener Momente, in dem das ganze Leben auf der Kippe steht, in dem
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