~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
Pilgern etwas verloren, doch spätestens beim großen Abendessen trifft man dann doch die meisten wieder (es gibt schon wieder Pasta …) und hat Gelegenheit sich zu unterhalten.
Dass ich so lange unter so vielen Menschen ausgehalten habe erstaunt mich sowieso. Daheim hätte ich mich spätestens nach einer Woche für einen Tag in meinem Zimmer versteckt, um ein wenig Stille zu erhaschen. Erst jetzt fällt mir auf, dass diese sakrale heilige Stille, die mir oftmals eine Gänsehaut auf den Körper jagt an den meisten Stellen auf dem Camino fehlt. Es ist nicht leise, nicht still, das Andächtige fehlt oder kommt sehr kurz. Ab und zu kann man dieses vielleicht im Gottesdienst finden, wenn man es in der Form mag. Da ich selten Gottesdienste besuche, fehlt die Stille und die Ruhe. Seltsam wie wenig sie mir gefehlt hat, wie gut sie jetzt aber dennoch tut.
Erika hat jetzt gute Laune. Ich glaube sie mag es etwas zu schaffen, dass sie sich nie zugetraut hätte, auch wenn es etwas ist, das sie sich nicht selbst auserwählt hat. Vielleicht auch gerade deswegen.
21.09.08 28km nach Sarria - Weiter
Die ersten 9 Kilometer geht es heute in gemächlich steilem Stil hinab. Da Érika mich gerne weiter begleiten möchte, aber bergab noch langsamer als bergauf ist, setze ich sie beim ersten Zwischenstopp in ein Taxi, bzw. sie sich selbst, nachdem ich sie über meinen Wunsch aufgeklärt habe zumindest an manchen Tagen größere Strecken zu gehen. Nach mehreren Gesprächen mit ihr, glaube ich nun auch langsam zu wissen, dass sie den Camino wirklich nur um ihrer Mutter willen geht. Trotzdem scheint sie es nun zu genießen, so dass wir einen Kompromiss aus beidem erschaffen. Sie nimmt ein Taxi nach Sarria und möchte dort dann auf mich warten. Da sie sich selbst als Touristin beschreibt und anderen Pilgern nicht ihre Rechte streitig macht finde ich es nicht problematisch. Eigentlich habe ich ja eine Taxiphobie, doch sie ist nur eine halbe Pilgerin. In meinem Kopf läuten dennoch die Alarmglocken, die versprechen, dass es sicher die eine oder andere Person gibt die sich darüber aufregen wird.
Um 12 Uhr verlasse ich also Érika mit dem Auftrag etwas zu Essen und zu Trinken für uns einzukaufen. Es ist Sonntag und die Läden schließen bald. Es ist ein wenig geschummelt dem Schicksal gegenüber, da ich nicht selbst einkaufe, da ich wohl auch nicht selbst entscheide wo ich schlafen werde. Doch das Schicksal hat mich eigentlich erst in diese Lage gebracht. So nehme ich es einfach als eine seltsame Wendung an und genieße die Idee, dass noch viele Kilometer heute vor mir liegen. Ohne dass ich aufgehalten werde.
Als ich einige Minuten unterwegs bin fängt es an leicht zu nieseln. Der Himmel ist grau. Das Grau ist so grau, dass es nicht einmal Unterschiede zwischen Wolkengrau und Himmelsgrau zu geben scheint. In der Tat ist es eigentlich eine einzige riesige graue Wolkendecke hinter der, wenn sie dann einmal aufreißt, noch mehr graue Wolken zum Vorschein kommen.
Die Sonne ist heute Morgen um 8 in der wunderschönen Bergkulisse spektakulär aufgegangen, jetzt versteckt sie sich dafür umso mehr. Ich versuche meine normale (doppelt so schnelle) Geschwindigkeit wieder aufzunehmen, was mir zuerst überraschend schwer fällt. Es mag an dem recht steilen Waldweg liegen, der sich vor meinen Füßen aufgetan hat. In meinem Ehrgeiz gehe ich diesen viel zu schnell an und bin sehr bald völlig außer Puste. Mein Herzschlag geht so stark, dass ich eine Weile stehen bleiben muss, damit er sich wieder beruhigen kann. Es dauert vielleicht eine halbe Stunde bis ich meinen gewohnten Rhythmus langsam wieder finde.
Über Wald-und Feldwege geht es recht einsam dahin. Viele Pilger nehmen wohl die etwas längere Route und bleiben in der Herberge in Samos. Bis Sarria gehen zu ‚müssen’ weil dort jemand auf mich wartet, lässt mich zwischendurch leise fluchen. Mein linker Fuß mag es wohl nicht plötzlich wieder so schnell gehen zu müssen. Es zieht bei jedem dritten Schritt und der Schmerz macht mich ungeduldig aufs Ankommen. Gerne hätte ich mir eine längere Pause gegönnt, doch zu allem Übel und in meinem Planwahn habe ich sogar noch eine etwaige Uhrzeit angegeben zu der ich noch vor einiger Zeit annahm in Sarria einzutreffen. Diese einzuhalten erscheint mir nun fast unmöglich.
Ein Einheimischer, so scheint es jedenfalls, da er jeden Umweg den die Pfeile weisen zu kennen und zu meiden scheint, begleitet mich eine ganze Weile. Erst läuft er
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