~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
jedoch eh zu viel Zeit auf meinem Weg und kann die Verzögerung brauchen. Hinzu kommt, dass ich jemandem helfen kann zu erleben und zu erlernen, was der Jakobsweg bedeutet.
Jetzt weiß ich auch warum ich hier geblieben bin. Ich gehe doch nicht nur für mich alleine.
19.09.08 12km nach O Cebreiro - Schneckentempo
Langsam, seeeeeeeeeeeeeeeeeeeeehr langsam geht es heute voran. Érikas Geschwindigkeit liegt weit unter der meinen und ihre Ausdauer ist so gering, dass es mir beinahe so vorkommt als würden wir alle paar Schritte eine Pause machen. Meine Versuche sie dazu zu animieren schneller zu gehen scheitern, sie kann einfach nicht schneller und spätestens jetzt wird mir klar, dass es ganz sicher nicht einfach wird eine längere Zeit mit ihr zu gehen. Die vielen Pausen helfen aber auch dabei, dass der Tag ausgefüllt wird. Verbunden mit vielen Gesprächen über Gott und die Welt ist es eine ganz andere Erfahrung.
Zugegeben, der Weg ist nicht leicht, er führt bergauf hin zum zweiten großen Pass. Nachdem ich am ersten Tag die Pyrenäen überlaufen habe, damals noch mit vielen Problemen und Schmerzen, wirkt der Weg heute für mich nicht mehr wie eine große Herausforderung. Schon nach 10 km habe ich das Gefühl, dass Érika nicht mehr weiterkann und so bleiben wir dann auch an Ort und Stelle. Der Tag ist noch lange nicht verflogen aber ich treffe viele bekannte Gesichter wieder, die wohl weit hinter mir gewesen sein müssen.
Leider ist die Herberge wirklich sehr eng, so dass es nicht sehr gemütlich ist. Außerdem übernachten auch recht viele Personen in einem Raum. Obwohl ich es schon gewöhnt sein müsste ist heute die Stimmung bedrückend, die anderen kommen mir unfreundlich vor. Was passiert ist, weiß ich nicht genau. Vielleicht verschiebt sich aber auch nur meine Wahrnehmung wieder einmal und dies jetzt ist nur eine kleine Verwirrung. Trotz meinen Bedenken und meinen Gedanken wird die Nacht gut, auch wenn ich den Herren unter mir aus Versehen mit meinem Handy bewerfe, dass mir gleichzeitig als Wecker dient und deswegen auf lautlos geschaltet immer neben mir im Bett liegen muss.
Ob Erika glücklich ist oder nicht, vermag ich nicht zu sagen. Ihre Stimmung schwankte etwas durch den Tag, wie ihre Schritte. Wie kann ihr der Weg gut tun, wenn sie ihn zuerst gar nicht wollte? Ich vermute sie geht nur, damit ihre Mutter einmal Ruhe gibt, damit sie einfach mal etwas anderes machen und sehen kann als das kleine Dörfchen.
20.09.08 12km nach Fonfria - Stille
Wieder ein Tag an dem ich mit Érika kaum vorankomme. Letztendlich halten wir in Fonfria. Hier wäre ich eigentlich schon vor drei Tagen gewesen, hätte ich keine Pause gemacht, würde ich jetzt nicht mit langsamer Begleitung laufen. Obwohl ich extrem genervt bin, vergeht die Zeit nun auf andere Weise schnell. Erika und ich unterhalten uns über alle mögliche Dinge. Sie ist interessant, aber auch verwirrt, verrückt. Ich mag verrückte Menschen.
Ich rechne öfters nach, wie weit ich jeden Tag gehen müsste um am Schluss noch genug Zeit für Finisterre zu haben. Finisterre zieht mich magisch an, ich möchte nicht darauf verzichten auch wenn meine andere innere Stimme mir immer wieder zuruft mich nicht selbst unter Druck zu setzen. Das was ich eigentlich auch lernen wollte, scheine ich nicht loszuwerden. Ich kann nicht aufhören Dinge zu planen. Warum kann ich nicht loslassen? Vielleicht ist mir Finisterre zu wichtig. Andere Gründe kann ich mir schwer vorstellen. Es würde mich sehr traurig stimmen nicht bis ans Meer zu laufen. Den Weg ganz zu Ende zu gehen ist wie Magie. Ich muss es tun, alles in mir zieht mich dorthin.
Nach dem gestrigen Tag, an dem ich mich so sehr an manchen Pilgern gestört habe, ziehe ich heute die Konsequenz mit meiner Begleitung Érika in einem sehr günstigen Doppelzimmer zu übernachten, das sogar eine eigene Dusche hat. Was für ein Luxus! Endlich kann ich mal wieder so lange duschen wie ich möchte und habe auch immer heißes Wasser. Die Überraschungsduschen mit nur einem Knopf, die sonst überall auf dem Weg zu finden sind, werden auf Dauer wirklich anstrengend. Besonders wenn man das Pech hat eine Mischung aus eiskaltem Wasser und sehr starkem Wasserdruck zu erwischen.
Ich vergesse völlig die Zeit und genieße einfach das heiße Wasser während Érika irgendetwas im Zimmer herumräumt und es sich wohl gemütlich macht. Auch die Ruhe finde ich unglaublich entspannend. Leider geht das Gruppengefühl mit den anderen
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