~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
zu anderen Pilgern, zu den Menschen auf dem Weg. Sie gehen verloren wie der Tag verloren ging. So viel Trauer kann nicht in Geschichten geschrieben werden wie diese. Sie erzählt nur von einem Weg, nur von mir, wahre Dramatik ist anders. Für mich ist alles grau heute.
24.09.08 30km nach Arzua - 33 Kilometer, Verlaufen inklusive
Früh morgens verabschiede ich mich von Érika, die ob der großen Distanz den Bus nehmen wird. Der Weg führt wie bisher weiter, meistens über Waldwege, manchmal über Asphalt im munteren auf und ab. Der Weg kennt keine Ebene. Kaum eine gerade Strecke. Es fehlen die schnurgeraden Pfade der Meseta, die unbeugsamen geraden Wege, auf denen entlang zu balancieren das einfachste der Welt erschien. Und das schwierigste zugleich.
Mein rechtes Knie ist heute nicht gut. Es dauert nicht lange bis ich eine Bandage umlege, eingerieben mit einer guten Salbe hält sie die Schmerzen fern, lullt mein Gelenk ein, wärmt und stützt und trägt mich weiter voran.
In der ersten Bar treffe ich meine kanadischen Mütter wieder – Der Kaffee ist schlecht, die Gesellschaft dafür umso besser. Während wir endlich ein Foto von uns dreien machen verspreche ich die beiden einmal in Vancouver zu besuchen, ein neues Ziel für eine Reise sobald ich einmal das Geld habe. Das ich niemals Geld haben werde, verrate ich ihnen nicht. Zu sehr liebe ich das Leben und all seine Schatten, all seine Lichter, als dass ich nur noch zur Arbeit ginge. Lieber bin ich. So es Armut erfordert zu leben in meinem Sinne, bleibe ich Pilger auf Wegen die mir möglich sind.
Der Jakobsweg ist nach wie vor recht voll und je näher es Richtung Santiago geht, desto seltener treffe ich auf Einzelgänger. Eigentlich sieht man nur noch Gruppen. Entweder haben sich alle Einzelgänger inzwischen zu Gruppen zusammengefunden oder so weit hinten startet kaum jemand noch alleine. Damals, in Saint-Jean-Pied-de-Port waren schon Pärchen außergewöhnlich, von größeren Gemeinschaften ganz zu schweigen. Es liegt nahe zu glauben, dass der Weg, je länger er ist umso mehr Einsamkeit erfordert.
Nach 15 Kilometern lege ich abermals eine Pause ein. Der Grund ist schleierhaft, irgendetwas stimmt heute einfach nicht. Ich fühle mich kraftlos, mir ist immer noch schlecht von dem Seehecht, den ich gestern hatte. Vielleicht spüre ich aber auch nur die Auswirkungen des Weins.
Nach der Pause fangen meine Füße zu brennen an. Sie fangen nicht Feuer, doch meine Blasen sind störend und hören heute auch nicht auf zu schmerzen. Ich merke, dass ich neue Druckstellen bekomme. Viel ändern daran kann ich jedoch nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass ich zu spät dran bin. Ich habe schon wieder den Fehler begangen eine Uhrzeit für meine Ankunft kundzutun. Nun möchte ich der Erwartung gerecht werden. Ich bin schlecht darin zu spät zu kommen, ich mag es nicht wenn andere auf mich warten müssen.
Es wird immer wärmer und das schwierige Terrain verlangt ebenfalls seinen Tribut. Zu allem Überfluss hefte ich meinen Blick so sehr auf den Wegverlauf, dass ich nicht bemerke, dass der Camino eigentlich geradeaus auf einem kleineren Feldweg weiterführt und ich folge der Kurve.
Der falschen Straße folge ich eine ganze Weile bis ich bemerke, dass es plötzlich recht einsam geworden ist. Keine Pilger, keine Pfeile, auch keine Meilensteine mehr. Im nächsten Dorf ist zuerst keine Menschenseele, als ich dann jemanden finde bekomme ich auch prompt die Bestätigung: Ich bin völlig falsch. Nun muss ich 1,5 km zurück und bin so insgesamt 3 km umsonst gelaufen. Damit verliere ich etwa eine halbe Stunde und eine wesentlich größere Menge an Motivation. Jeder Schritt zu viel ist schmerzhaft und es sind immer noch über 10 km zu gehen. Als ich auf die Stelle treffe an der ich falsch abgebogen ist stelle ich fest, dass der Pfeil natürlich riesig groß war den ich übersehen habe. Die Lektion: Wenn man sich zu sehr eilt, kommt man leicht vom richtigen (kurzen) Weg ab.
Die Füße schmerzen mehr und mehr und ich komme an verschiedenen Herberen vorbei, in denen ich gerne bleiben würde. Andere Pilger lassen ihre müden Füße in einem Pool abkühlen, sie müssen nicht mehr laufen. Mein rechter Fuß fühlt sich an als würde er anschwellen. Wunderbar. So kurz vor dem Ziel macht dies das Laufen noch schlimmer. Die letzten Kilometer sind grausam. Erst geht es einen Berg hinab in ein Tal, dann wieder hinauf nur um dann durch einer langen Vorstadt zu weichen, die mir zeigt,
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