~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
vor mir, aber auch nachdem ich ihn überholt habe bleibt er immer dicht hinter mir. Irgendwann ist er dann plötzlich verschwunden und lässt mich wieder alleine mit der schönen Landschaft, den Bergen und der wunderbar klaren Luft. Eine kurze, Stumme, dennoch erfrischende Begleitung.
Kurz vor Sarria fängt es wieder zu regnen an. Zu meinem Glück scheint Murphy zu schlafen und seine Gesetze scheinen auch nicht ganz zu funktionieren. So komme ich halbwegs trocken an. In Sarria geht es auf dem Weg zur Herberge eine große Treppe hinauf. Ein letztes sehr anstrengendes Hindernis. Érika wartet oben und hat auch schon eine gute Unterkunft organisiert, sowie ein brauchbares Mahl.
Nachdem ich mich eingerichtet habe kocht Erika für uns … wer hätte es gedacht: PASTA (schon wieder…) allerdings mit Thunfisch und das ist endlich mal was anderes. Morgen wird es aber nun endgültig etwas ganz anderes geben und ich nehme mir fest vor selbst zu kochen um nicht abermals jene Teigware im Topf zu haben deren Name langsam so furchteinflößend wird wie der Name des dunklen Lords!
22.09.08 22km nach Portomarin - Ungleichgewicht
Da Érika wieder mit mir geht, kommen wir zwar nicht schnell aber dafür sehr stetig voran. Sie hat sich selbst nun eine recht regelmäßige, wenn eben auch langsame, Geschwindigkeit angewöhnt. Mein Gewissen zwingt mich heute nicht dazu mit dem Wind zu laufen, einen schnelleren Schritt zu wählen. Ich bin zufrieden damit, langsam zu gehen, die Zeit zu genießen und ich vermute, dass ich Santiago auf diese Weise genau rechtzeitig erreichen werde. Eigentlich ist es unsinnig diesen Zeitpunkt so genau treffen zu wollen. Als wenn es einen ‚richtigen’ Zeitpunkt gäbe. „Es gibt ihn nicht!“ rede ich mir selber ein. Alles passiert so wie es geschehen soll, auch langsam wandelnde Begleitpersonen gehören dazu. Es ist meine Schwäche die mich glauben lässt, dass es Perfektion irgendwo gäbe, außer im Unperfekten.
Auf der Hälfte des Weges hat Érika ein Blutdruckproblem, das sich mit etwas Cola und salzigem Essen aber schnell beheben lässt. Es geht gemächlich weiter, für sie in einem schon fast atemberaubenden Tempo. Die Kraft hat sie wohl aus dem Koffein gewonnen … wer weiß! Jedenfalls ist sie nun unglaublich motiviert und schneller als sonst. Fröhlicher ist sie ebenso. Ich bin lange beeindruckt davon, folge beschwingt. Der Tag verspricht schön zu werden.
Heute sind sehr viele Menschen auf dem Weg. Ich vermute, dass es an den letzten 100km liegt, die bewältigt werden müssen um Anspruch auf die Compostella zu haben. Jene Urkunde, die den Erfolg des Pilgerns bescheinigt, ein Überbleibsel aus dem Mittelalter, das heute höchstens noch persönlichen Wert erlangen kann. Sarria ist beliebtester Startpunkt, da es von dort aus garantiert mehr als einhundert Kilometer nach Santiago sind. Ein seltsames Gefühl schon so weit zu sein. Viele neue Gesichter sind unterwegs.
Ich beobachte viele ‚Anfänger’ mit den typischen Beschwerden, die sich am ersten Tag der Pilgerschaft einschleichen. Am besten gefällt mir ein Pärchen: Sie, klein und zierlich, trägt einen riesigen Rucksack, während er, deutlich größer und kräftiger, einen beinahe winzig zu nennenden Rucksack trägt. Im ersten Augenblick ist dieses Bild so absurd, dass ich fast lachen muss. Natürlich muss es irgendeinen Grund dafür geben, dass das Gewicht so seltsam aufgeteilt wird, vielleicht sogar eine Krankheit oder andere starken Beschwerden. Nichts worüber man lachen sollte. Doch sieht es einfach zu ungewöhnlich aus um nicht darüber zu schmunzeln. Neulinge erkennt man schnell an der noch sehr sauberen Kleidung, den ordentlichen Schuhen. An der Art sich zu bewegen, die noch nicht von Blasen oder Muskelkater gezeichnet ist.
Als wir eine kleine Pause machen finden wir einen französischen Pilgerführer auf dem Boden, den ich an der Seite meines Rucksackes verstaue, so dass er für andere gut sichtbar ist. Als ich ihn schon völlig vergessen habe, kommt ein französisches Pärchen wild gestikulierend auf mich zu und es dauert einige Sekunden bis ich begreife was sie suchen. Leider sprechen wir keine gemeinsame Sprache, doch habe ich mir offensichtlich neue Freunde gemacht. Manche Gegenstände mögen die Party-der-verlorenen-Dinge wohl nicht.
Obwohl wir erst um 15 Uhr in Portomarin ankommen und obwohl so viele Pilger unterwegs sind, haben Érika und ich kein Problem ein Bett zu bekommen und der Rest des Tages
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