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99 Särge: Roman (German Edition)

99 Särge: Roman (German Edition)

Titel: 99 Särge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xiaolong Qiu
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Parteidisziplinarbehörde ebenfalls in der Villa Moller präsent war.«
    »Dazu kann ich auch etwas beitragen«, sagte Lianping. »Letzte Woche hat Qiangyu den Herausgeber der Wenhui aufgesucht und ihm gesagt, vor allem in schwierigen Zeiten wisse er die Unterstützung loyaler Menschen durchaus zu schätzen.«
    »Dann verstehen Sie ja, worauf ich hinauswill«, sagte Chen und trank einen Schluck Wein. »Kommen wir auf das Fax von Qiangyu im Krankenhaus zurück, weswegen mich Dr. H anrief. Qiangyu ist in Schwierigkeiten, und dass das Pekinger Team nicht zufällig in der Villa Moller abgestiegen ist, weiß er genau. Der Machtkampf zwischen der ›Jugendliga‹ und der ›Shanghai-Bande‹ hat sich zugespitzt, und das Pekinger Team hat im Fall Zhou einen Vorteil gewittert. Aber nach Weis Tod war ich weiterhin in der Stadt unterwegs, um die Ermittlungen ernsthaft voranzutreiben, und zwar nicht in der von ihnen gewünschten Richtung. Damit war alles wieder offen. Das ist der Grund, warum Qiangyu mich meiner Ämter im Polizeidienst entheben will. Auf die Loyalität Ihres Chefs kann er vermutlich rechnen, nicht aber auf meine. Für Qiangyu und seine Leute steht zu viel auf dem Spiel, wenn ich auf meinem Posten bleibe.«
    »Sie machen mir Angst, Chen.«
    »Keine Sorge. Was Hauptwachtmeister Wei passiert ist, hätte auch mir zustoßen können, inzwischen habe ich aber gefunden, was alle so verzweifelt suchen – die Informationen, die Zhou hinterlassen hat. Was ich in der Hand habe, fesselt diese Monsterkrebse aneinander und besiegelt ihr Schicksal. Und damit meine ich nicht so kleine Krebse, wie Zhou einer war.«
    »Das heißt, Sie können beweisen, dass Zhou nicht allein gehandelt hat, sondern mit Unterstützung seiner Vorgesetzten? Sie haben Indizien, die auf korrupte Praktiken bei der Landvergabe und in der Wohnungsbaupolitik hinweisen?«
    »Nicht nur das, ich kann beweisen, dass Zhous Tod im Hotel kein Selbstmord war.«
    »Wie denn?«
    »Sie kennen doch sicher den Ausdruck vom ›Bündel Krebse‹.«
    Sie nickte.
    »Zhou muss gehofft haben, dass die anderen ›Krebse‹ ihm aus der Bredouille helfen würden, schließlich waren doch alle aneinandergekettet, nicht durch eine Strohschnur, sondern durch das Wissen um gemeinsame Korruption. Aber die Indizien, die während der Menschenfleischsuche zutage gefördert wurden, waren überwältigend. Und sie kamen genau in dem Moment an die Öffentlichkeit, als die ›Jugendliga‹-Fraktion in Peking zum Sturz der ›Shanghai-Bande‹ ansetzte. Deshalb sollte Zhou zum Bauernopfer werden. Im Hotel interniert, im Dunklen allein gelassen und in dem Glauben, von seinen Spießgesellen verraten worden zu sein, muss er sich zu lautstark beklagt und ihnen gedroht haben. Schließlich verfügte er ja über Beweise für ihre Mittäterschaft und meinte, sie dadurch mit ins Unglück reißen zu können. Das wiederum bestärkte die anderen in der Überzeugung, dass er ausgeschaltet werden musste. Was lag da näher, als ein Selbstmord während des shuanggui . In der Regel sind polizeiliche Ermittlungen nach einem shuanggui reine Formsache. Es ist nur Parteisekretär Lis Beschränktheit zu verdanken, dass er ausgerechnet Wei den Fall übertragen hat, einem Polizisten, der zu gründlich war, um sich manipulieren zu lassen.«
    »Zhous Verstrickungen in die Machenschaften seiner Vorgesetzten mögen der Grund für seinen Tod gewesen sein«, sagte sie. »Dennoch bleibt die Frage, wie er in einem so gut bewachten Hotel ermordet werden konnte.«
    »Hier kommt der zweite Hinweis ins Spiel, den Hauptwachtmeister Wei in seinem letzten Telefongespräch gegeben hat.«
    »Das Gespräch mit dem Etagenkellner. Haben Sie von ihm etwas erfahren können?«
    »Nicht wirklich. Hauptwachtmeister Wei ist in eine fatale Falle getappt, weil er in dieser Richtung ermittelt hat. Ich wollte nicht denselben Fehler machen. Aber ich habe mir das Band mit dem Interview immer wieder angehört und es sogar mit nach Shaoxing genommen«, sagte Chen mit einem leichten Seufzen. »Am Abend nach dem Bankett habe ich versucht, Sie anzurufen. Ihr Handy war ausgeschaltet, und Ihr Schlüssel hing an der Rezeption.«
    »Ich habe den Nachtzug zurück nach Shanghai genommen, noch bevor die Party zu Ende war. Ich dachte, Sie seien zu beschäftigt, um mich überhaupt zu bemerken«, sagte sie und trank ihren Wein aus. Ihre Wangen brannten. »Es tut mir leid, Chen, aber ich wusste nicht, wie ernst die Lage war.«
    »Das muss Ihnen nicht leidtun.«

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